Friedhof nach der Unwetterkatastrophe
© epd-bild/Matthias Kehrein
Zerstörte Gräber auf dem Friedhof in Schleiden-Gemünd am Flüsschen Olef in der Eifel.
Hochwasser
Auch Friedhöfe sind verwüstet
Die Unwetterkatastrophe vor zwei Wochen hat Leben genommen und Häuser zerstört. Auch Friedhöfe sind verwüstet. Für Angehörige und Trauernde ist das eine große Belastung.

In stiller Trauer - so steht es auf einer mit verkrustetem Schlamm verschmutzten Engelsfigur auf dem Friedhof in Schleiden-Gemünd in der Eifel. Still ist es wieder, wie es auf einem Friedhof sein sollte. Zu hören ist nur das Rauschen des Flüsschens Olef, das am 14. Juli zu einem reißenden Strom wurde. Die Jahrhundertflut hat den Ort und mit ihm den Friedhof verwüstet - wie viele andere Orte im Süden Nordrhein-Westfalens und im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Jemand hat Putten, Herzen und Leuchten alle an einer Stelle gesammelt - denn zu welchem Grab sie einmal gehörten, kann niemand mehr sagen. Auch die letzte Ruhestätte ist zerstört. Ganze Gräber wurden weggespült, es liegen zerborstene Grabsteine herum. Ein Grabstein mit den Namen eines Ehepaars - Maria und Josef - liegt an der Uferkante der Olef, wo sich auch allerhand Treibgut angesammelt hat.

Manche Grabstellen sind offen, was mit den menschlichen Überresten darin geschehen ist - unklar. Überall sieht man Scherben und weggeschwemmte Grableuchten mit trübgewordenem Glas.

Auf Suche nach den Gräbern

Oksana Langlitz wandert vorsichtig über den Friedhof. Sie setzt ihre Schritte behutsam, um nicht aus Versehen auf Gräber zu treten, die als solche nicht mehr erkennbar sind. "Ich war direkt am Morgen, nachdem die Flut kam, hier", erzählt sie. "Ich war die erste hier, ich musste durch knietiefes Wasser waten, aber ich musste unbedingt zu meinem Sohn", sagt sie. Ihr Sohn Dennis starb im letzten Jahr im Alter von 20 Jahren plötzlich und unerklärlich und wurde auf dem Friedhof beerdigt.

Oksana fand das Grab schließlich, in dem sie sich an zwei großen Bäumen orientierte, Unter angeschwemmter Pappe fand sie die Stelle. Eigentlich sollte das Grab nun endlich einen Grabstein bekommen. "Doch der Steinmetz-Betrieb, der den Stein gemacht hat, ist selbst überschwemmt worden", erzählt Langlitz.

Oksana Langlitz hat das Grab ihres 2020 verstorbenen Sohnes Dennis notdürftig wieder hergerichtet.

Die Frau mit der Kurzhaarfrisur hat das Grab ihres Sohnes wieder mit angespülten Steinen aus dem Fluss eingefasst und hat sogar schon wieder Blumen gepflanzt. Auch das Holzkreuz mit dem Namen ihres Sohnes hat sie irgendwo in den Trümmern gefunden.

Hilfe von der Bundeswehr

An einigen anderen Grabstellen sieht man auch frische Erde und ein paar Blumen. An anderen Stellen hat die Bepflanzung dem Wasser standgehalten. Das Gras auf dem Boden ist noch in Fließrichtung des Wassers gebürstet.

Es sind vereinzelt Menschen auf dem Friedhof unterwegs, um sich um die Gräber ihrer Angehörigen zu kümmern, nachdem sie ihre Wohnhäuser trocken gelegt haben. Familie Langlitz hatte Glück im Unglück. Nur ihr Hauskeller war betroffen. Der ist mittlerweile schon ausgeräumt und trocknet.

"Hier sah es wie nach einem Bombeneinschlag aus", erzählt Langlitz, während sie am Grab ihres Sohnes steht. Langlitz und ihr Mann haben noch drei weitere Kinder. Die Bundeswehr half beim Aufräumen des Friedhofs, aber um die kaputten Gräber darf sich die Armee nicht kümmern. Das ist Sache der Stadt, zu der der Friedhof gehört.

Keine Bestattung möglich

Auch andere Friedhöfe wurden von der Flutkatastrophe schwer in Mitleidenschaft gezogen, weiß Christian Jäger, Geschäftsführer der Bestatterverbände Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. So sind die Friedhöfe im besonders betroffenen Ahrtal zerstört. Dort können nirgendwo Bestattungen stattfinden, auch weil viele Bestatter selbst vom Hochwasser betroffen sind. Abgesehen von den oberirdischen Schäden sei oft noch unklar, welche Wege das Wasser unterhalb der Anlagen gesucht hat, sagt Jäger.

Ganze Gräber wurden weggespült, es liegen zerborstene Grabsteine herum. Manche Grabstellen liegen offen, was mit den menschlichen Überresten darin geschehen ist unklar.

In dem betroffenen Gebiet im Kreis Euskirchen und im Rhein-Erft-Kreis seien alle beteiligten Stellen dabei, sich einen Überblick zu verschaffen. "Wir brauchen jetzt erst einmal ein komplettes Bild aller Schäden auf den Friedhöfen. Dann erst können wir planen, in welcher Reihenfolge die Friedhöfe wiederhergestellt werden", sagt Jäger. "Im Moment hat die Rettung der Lebenden Priorität. Nichtsdestotrotz müssen aber auch die Verstorbenen beigesetzt werden."

Bislang starben mehr als 170 Menschen durch das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz. Wann sie bestattet werden können, ist unsicher. "Weil viele Tote noch nicht identifiziert werden konnten, rechnen wir mit einer Verlängerung der Bestattungsfristen", sagt Jäger. Eine Beisetzung in der Nachbarschaft oder im Nachbarlandkreis sei zwar möglich. "Wenn Verstorbene die letzte Ruhe an einem entfernten Ort finden sollen, ist das für die Angehörigen aber sehr belastend."

Oksana Langlitz hat mitgeholfen, wenigstens etwas Ordnung auf dem Friedhof in Gemünd zu schaffen. Sie hat auch die benachbarten Grabstellen von Angehörigen ihrer Bekannten versucht, provisorisch wiederherzurichten. Sie hofft, dass die Stadt Schleiden den Friedhof schnell wieder instand setzt, damit wieder Ruhe einkehren kann.