Im Gespräch ist eine Untergrenze von 300 Mitgliedern. Im Herbst soll ein Kirchengesetz dazu beschlossen werden, doch aus einigen ländlichen Regionen kommt Widerspruch. Synodenpräses Geywitz sei der festen Überzeugung, dass die Landeskirche um Veränderungen nicht herumkommen werde, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Aktuell umfasst die Landeskirche mit ihren rund 890.000 Mitgliedern mehr als 1.000 Kirchengemeinden in Stadt und Land.
epd: Was für konkrete Schwierigkeiten sehen Sie auf sehr kleine Gemeinden bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zukommen?
Harald Geywitz: Wir haben derzeit die Situation, dass jede Kirchengemeinde, egal wie viele Gemeindemitglieder sie hat, eine sogenannte Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Sehr kleine Gemeinden mit 20 Mitgliedern wie es sie beispielsweise in der Prignitz gibt, müssen sich auch um Daten- und Arbeitsschutz kümmern, ein Budget aufstellen und ab 2023 auch Umsatzsteuer zahlen. Im Hintergrund sind da sehr viele Dinge hauptamtlich zu erledigen, das bekommen gar nicht alle Gemeindeglieder mit. Die Körperschaft ist ein Status, der viele Verpflichtungen mit sich bringt, den viele kleine Gemeinden nicht mehr leisten können. Es geht jetzt darum, dass man die Verwaltung auf eine höhere Ebene verlagert, während das kirchliche Leben weiterhin vor Ort organisiert wird. Uns geht es darum, zu guten Strukturen für die Arbeit zu kommen, die wir vor Ort leisten wollen. Denn wir wollen Kirche für andere sein und die frohe Botschaft zu den Menschen bringen.
Wovor fürchten sich die kleineren Gemeinden, die größeren Zusammenschlüssen kritisch gegenüberstehen? Haben Sie Verständnis dafür?
Geywitz: Viel Diskussion gibt es derzeit um die Zahl 300, also ob dies die Mindestmitgliederzahl für eine Kirchengemeinde sein soll. Das ist der Vorschlag der Kirchenleitung und wurde auf der Landessynode schon einmal diskutiert. Wir nehmen die Kritik daran sehr ernst und haben Verständnis dafür, weil Veränderungen verunsichern können. Daher haben wir das Mindestmitgliedergesetz auf die Herbstsynode verschoben und jetzt im Vorfeld gibt es sowohl digitale Sprechstunden mit der Pröpstin als auch Besuche vor Ort in den Gemeinden durch die Kirchenleitung oder auch die Superintendenten. Diese Gespräche werden übrigens seit rund zwei Jahren geführt mit allen Kirchenkreisen und Ältesten, die das wünschen. Und unserer Landessynode gehören mehrheitlich ehrenamtlich engagierte Menschen aus der ganzen Landeskirche an, die dann letzten Endes entscheiden. Ich bin der festen Überzeugung, wir werden um Veränderungen nicht herumkommen, diskutieren darüber schon einige Zeit und müssen nun auch einmal zum Abschluss kommen. Die Sorgen und Bedenken hören wir und natürlich fließen sie in den Beratungsprozess ein.
"Die Sorgen und Bedenken hören wir"
Wie wollen Sie die Kritiker überzeugen, sich auf größere Gemeindeformen einzulassen?
Geywitz: Indem wir klar sagen, dass das kirchliche Leben vor Ort nicht durch das Kirchengesetz eingeschränkt, sondern gesichert und unterstützt wird. Im Frühjahr haben wir mit dem Gemeindestrukturgesetz eine große Auswahl an möglichen Formen für die Gemeinden beschlossen. Wir möchten Beteiligung und Engagement stärken. Es ist kein radikaler Umbau, auch wenn das vor Ort natürlich schmerzlich sein kann, weil das Gewohnte ans Herz gewachsen ist. Es ist vielmehr ein Beratungsprozess mit den engsten Nachbarn der heutigen Gemeinden, wie sie auch morgen den gemeinsamen Auftrag gut meistern können. Irgendwann muss man sich dann auf landeskirchlicher Ebene auch ehrlich machen und entscheiden, welche Anzahl an Mitgliedern dann die besondere Form der Körperschaft rechtfertigt.
Was wird mit Gemeinden passieren, die größere Zusammenschlüsse ablehnen?
Geywitz: Das Gesetz zu den Mindestmitgliedern diskutieren wir auf der Herbstsynode 2021 und es soll dort verabschiedet werden. Im Entwurf steht klar, dass die Mindestgemeindegliederzahl jeweils zu einem Stichtag vor jeder Ältestenwahl erreicht werden muss. Wird das Kirchengesetz in dieser Form verabschiedet, so ist als nächster Stichtag der 31. Dezember 2021 maßgebend. Dann wäre Zeit bis zum 31. Dezember 2023, um miteinander im Kirchenkreis zu guten Strukturen zu kommen. Natürlich wird die Landeskirche, wenn das vor Ort gewünscht wird, diesen Prozess beratend begleiten.
"Es ist kein radikaler Umbau, auch wenn das vor Ort natürlich schmerzlich sein kann"
Können diese Gemeinden die Landeskirche gegebenenfalls auch verlassen?
Geywitz: Theoretisch könnten diese Gemeinden die Landeskirche verlassen. Ich sehe dafür aber keine guten Gründe, denn wir sind sehr demokratisch organisiert und treffen legitime Entscheidungen für die Gemeinschaft der Landeskirche, in der es auch ein hohes Maß an Solidarität mit dem ländlichen Raum gibt. Außerdem verbleiben die Entscheidungen über das kirchliche Leben weiterhin vor Ort. Daher wäre ein Austritt eher nicht im Interesse der Kirchengemeinde. Deshalb setze ich weiterhin auf die Verständigung und auch darauf, dass wir eine starke Gemeinschaft sind, die den Gemeinden viel zu bieten hat.
Wie viele Gemeinden mit weniger als 300 Mitgliedern gibt es derzeit und wie viele davon stehen größeren Zusammenschlüssen bisher skeptisch gegenüber?
Geywitz: In der EKBO haben derzeit mehr als 650 Kirchengemeinden weniger als 300 Gemeindeglieder. Allerdings gibt es große Unterschiede auch innerhalb eher ländlicher Gebiete. Im Kirchenkreis Uckermark gibt es 59 Körperschaften mit 11.000 Gemeindegliedern, in der Prignitz 172 Körperschaften mit 22.000 Gemeindegliedern. Natürlich gibt es Skepsis, aber es haben sich in den vergangenen Jahren auch schon viele Gemeinden auf den Weg gemacht. Allein 2020 haben über 40 Gemeinden fusioniert oder die neue Form der Gesamtkirchengemeinde mit Ortskirchenräten gewählt. Ich setze darauf, dass es gemeinsam gelingen kann, unsere kirchlichen Strukturen fit für die Zukunft zu machen.