Margot Käßmann spricht über die Sintflut (Genesis 6, 12-22). Die Theologin und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geht die Geschichte von der Ankündigung der Sintflut bis zum Regenbogen durch, routiniert, assoziativ, mit Erklärungen zum zeithistorischen Kontext, kleinen anekdotischen Ausflügen ins eigene Leben, klaren Bezügen zur Gegenwart und politischer Botschaft. Wir erfahren, dass es im Zweistromland Mesopotamien viele Flut-Geschichten gab, die wohl die Angst der Menschen vor Fluten spiegelten. Käßmann spricht über das Gottesbild – ein Gott, der mit widersprüchlichen Gefühlen kämpft – und Noah, der mit großem Gottvertrauen tut, was Gott ihm befiehlt.
"Wie werden sich die Menschen in der Arche gefühlt haben? Hörten sie vielleicht die Schreie der ertrinkenden anderen Menschen?", fragt Käßmann und spannt den Bogen zu denen, die heute in Schlauchbooten auf dem Mittelmeer treiben. "Hören wir ihre Schreie?"
"Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe", heißt es am Ende der Sintflutgeschichte. Gott schließt einen Bund mit Noah. "Erfüllen wir unseren Teil des Bundes?", fragt Käßmann und gibt die Antwort: Es sei eine "Glaubenshaltung, sich einzumischen in die Welt, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und Druck zu machen auf die Politik, damit der Klimawandel aufgehalten wird". Wir alle sind gefragt. (Claudia Keller) | Zur Bibelarbeit von Margot Käßmann
Der Grünen-Politiker Winfrid Kretschmann, seit zehn Jahren Ministerpräsident von Baden-Württemberg, blickt in seiner rund 18-minütigen Bibelarbeit auch auf die Passage, die den Vers beinhaltet: "Mit Dir will ich meinen Bund aufrichten" (Genesis 6,12-22). Der 72-Jährige greift damit ein Urthema der Menschheitsgeschichte auf und setzt dabei auf Kreativität, Entschlossenheit und Mut. Die Sintflutgeschichte der Arche Noah stehe für die existenzielle Erfahrung der Widersprüchlichkeit zwischen Gottes Gut der Schöpfung und dem Bösen in der Welt, einer Welt voller Leid, Gewalt und Zerstörung. Gott liebe den Menschen auch und gerade in seiner Freiheit, die auch die Möglichkeit des Versagens, der Schuld enthalte. Das sei der Preis, den Gott zu zahlen bereit ist, weil er den Menschen als sein Ebenbild geschaffen habe.
Die biblische Arche sei über die Jahrhunderte zu einem Symbol für Rettung und Schutz geworden. Für die Rettungsaktion gebe Gott zwar eine klare Anweisung vor, bis hin zu einem detaillierten Bauplan der Arche. Aber gebaut und mit Tieren besetzt werde die Arche von Noah. Dabei relativiere Gott seine eigene Ankündigung: Alles auf Erden soll dem Tod finden. Einen Vers später, eröffne Gott seiner Schöpfung aber eine Zukunftsperspektive. Er bietet Noah an, mit ihm einen Bund zu schließen und fordert ihn auf, seine Familie und von allen Tieren je ein Paar mit in die Arche zu bringen, damit sie am Leben bleiben. So sichere Gott der Menschheit und der ganzen Natur ihren Erhalt zu.
Kretschmann spricht von einem radikalen Stimmungsumschwung, indem Gott seiner Schöpfung eine zweite Chance gebe. In seiner Bibelarbeit geht es um Schöpfungsmacht und Freiheitswillen, um einen neuen Bund und um das Wunder des Neuanfangs. Alles könne auch heute gut gehen, wenn der Mensch Vernunft annehme und Verantwortung trage. Der Politiker will den Blick für das Neue, für das Unerwartbare weiten, für ein Wunder mit Gott als Verbündetem. Diese Bibelarbeit ist allen zu empfehlen, die die Zukunft nachhaltig mitgestalten wollen. (Markus Bechtold) | Zur Bibelarbeit von Winfried Kretschmann
Elke Büdenbender, Sozialrichterin in Berlin und Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, hat sich die Geschichte von der Heilung des Blinden (Johannes 9, 1-12) ausgesucht. Die Jünger fragen Jesus, ob die Blindheit eine Strafe Gottes für die Sünden der Eltern sei? "Wer blind ist, möchte sicher nicht gefragt werden, ob er schuld an dem Zustand ist", sagt Büdenbender und dass sie froh sei, dass Jesus das auch so sehe. Es gehe nicht um Sünde, antwortet Jesus, sondern darum, dass er durch die Heilung des Blinden zeigen könne, dass Gott Gutes tue. "Wir sind alle anders, und doch sind wir alle Gottes Geschöpfe", sagt Büdenbender. Deshalb dürfe sich keiner über andere stellen oder andere herabsetzen, nur weil sie anders seien.
Die 59-Jährige könnte es bei dieser Botschaft belassen und anhand von konkreten Beispielen zeigen, wie wichtig das für den Alltag von Kindern ist. Denn es soll eine "Bibelarbeit für Kinder" sein, so steht es im Programm. Manchmal spricht sie die Kinder mit "liebe Kinder" an, ansonsten ist an dieser Bibelarbeit nichts kindgerecht. Büdenbender zeigt, dass es in der Geschichte auch um Glaube und Hoffnung geht, um Gemeinschaft und Solidarität. Alles richtig und wichtig, nur welches Kind kann dem folgen? Welches Kind versteht Sätze wie "Auch wir sollen nicht im Dunkeln leben, sondern im Licht der Erkenntnis und des Glaubens?" (Claudia Keller) | Zur Bibelarbeit von Elke Büdenbender
Auch Eckart von Hirschhausen wirft einen näheren Blick auf die Heilung eines Blinden aus dem Johannesevangelium (Johannes 9, 1-12) der Lutherbibel 2017. Dabei nähern er und Co-Moderatorin Fernanda Gräfin Wolff Metternich sich der Bibelstelle erst einmal vom medizinischen Aspekt her: Wie oft heißt es, dass jemand, der krank ist, selbst Schuld an der Krankheit sei? Als Mediziner weiß Hirschhausen natürlich, dass Blindheit zum Beispiel durch Infektionen ausgelöst werden kann. Doch warum nehmen Menschen selbst heute noch an, dass Menschen eine Krankheit selbst angezogen hätten? Egal, ob bewusst oder unbewusst. Mit diesem Vorurteil räumt Hirschhausen auf und trennt ganz klar Krankheit und Schuld.
Als einen weiteren Aspekt der Bibelstelle benennt Hirschhausen ganz klar das Ablegen der eigenen Blindheit und stellt so auch eine Verbindung zum Kirchentagsmotto "Schaut hin!" her. "Wo sind wir blind? Was sehen wir vielleicht nicht?" Diese Fragen bezieht er in der Bibelarbeit vor allem auf Umweltschutz und die Klimakrise. Wir Menschen sehen uns oft getrennt vom Rest der Schöpfung und sind regelrecht blind dafür, dass auch wir mit unseren Mitgeschöpfen und der Erde verbunden sind. Denn wir haben schließlich nur diese eine Erde, sind Hirschhausen und Wolff Metternich überzeugt.
Am Ende fasst Eckart von Hirschhausen seine vielen Ideen und Gedanken zur Bibelarbeit kurz zusammen: Schaut hin! Wir sind blind für viele Dinge. Hole Hilfe. Es geht nur miteinander. (Stefanie Spitzer) | Zur Bibelarbeit von Eckart von Hirschhausen
Die zwei Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) und Volker Bouffier (CDU): Der eine regiert im Osten (Thüringen), der andere im Westen (Hessen). Der eine ist links, der andere konservativ. Beide eint ihr protestantischer Glaube – und dass sie Anfang der 1970er bei Karstadt in Gießen gejobbt haben (kein Witz!). Wie interessant hätte es werden können, zwei so unterschiedliche Perspektiven auf den Bibelvers "Mit Dir will ich meinen Bund aufrichten (Genesis 6, 12-22)" zu hören. Doch Ramelow und Bouffier teilen sich die Arbeit anders auf: Ramelow (vor dem virtuellen Hintergrund der Wartburg) wirbt für Thüringen, berichtet von der Wichtigkeit der Lutherbibel für die deutsche Sprache und übergibt für die Auslegung des Verses an seinen Kollegen. Ein bisschen schwach, könnte man meinen, aber Bouffier nutzt seine zehn Minuten geschickt, um den Faden zwischen dem Vers, dem Kirchentag, der Corona-Pandemie, dem Zustand der Gesellschaft und dem Grundgesetz zu spinnen. Er plädiert für mehr Mitgefühl in der Pandemie, warnt davor, den öffentlichen Diskurs von Schreihälsen und Shitstorms bestimmen zu lassen und arbeitet heraus, wer seiner Ansicht nach in schwierigen Zeiten mehr Orientierung bietet als das Internet: die Bibel. Was Ramelow verpasst, holt Bouffier doppelt nach. Nicht übel! (Michael Güthlein) | Zur Bibelarbeit von Bodo Ralemow und Volker Bouffier
Die neun Minuten mit Nora Gomringer haben es in sich. Die Lyrikerin hüpft als "Biblical Weather Woman" ins Bild und verkündet "Breaking News" aus der Wüste Mesopotamiens: die Ankündigung der Sintflut (Genesis 6, 13-22). Die Erde sei voller Frevel und werde zerstört. Noah solle eine Arche bauen, mit ihm wolle "Gott seinen Bund aufrichten". Durch diese Rahmung holt Gomringer lustig und vergnügt unseren heutigen Frevel ins Boot: die Umweltzerstörung und den Klimawandel.
Danach sieht man Gomringers Hände in Erde graben, während sie als Noah Fragen an Gott stellt. Oder fragt sie einen abwesenden Partner? Eine Partnerin? "Wie hat sich unsere Beziehung so wandeln können? Dass du so hart und abgewandt bist – ein Auseinanderdriften, Hinwendung an andere…" Dann der Satz: "Aber es regnet doch!" Geht es also doch um unsere Beziehung zur Natur? Mit "Mein Verstand begreift deine Wege nicht" leitet Gomringer elegant zurück zu Noah und Gott und umkreist die Liebe zu Gott und welche Verantwortung sich daraus ableitet. "Wie kann ich damit leben, so auserwählt zu sein?", "Bin auch ich mächtig?", "Ausgerechnet von mir verlangst du den Schutz des Lebens?" Gomringer lässt unterschiedliche Interpretationen anklingen und regt zum Nachdenken an. Sehr zu empfehlen! (Claudia Keller) | Zur Bibelarbeit von Noa Gomringer