Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wirbt für eine neue Sicht auf sinkende Mitgliederzahlen und Sparmaßnahmen. Er forderte von den 128 Delegierten des neu gewählten evangelischen Kirchenparlaments, die bis Samstagabend wegen der Corona-Pandemie online tagen, eine „geistliche Grundhaltung, die nicht von Knappheit, sondern von Fülle geprägt“ sei.
Die Synode der EKD, wie das evangelische Kirchenparlament genannt wird, hatte auf ihrer letzten Tagung im November 2020 eine Finanzstrategie beschlossen, die Kosteneinsparungen in Höhe von 30 Prozent des Haushaltsvolumens von 2019 bis 2030 vorsieht. Das entspricht eine Summe von 17 Millionen Euro. „Ich weiß, dass die jetzt anstehenden Prozesse für viele Beteiligte auch schmerzhaft sein werden“, sagte der bayerische Landesbischof am Samstagvormittag. Das neu zusammengesetzte Kirchenparlament muss während seiner sechsjährigen Amtszeit über die Umsetzung der Sparmaßnahmen beraten.
Staatliche Beteiligung an Aufklärung
Zuvor hatte sich der Ratsvorsitzende für eine staatliche Mitwirkung an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche ausgesprochen. Es gebe einen Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in den Willen zur Aufklärung von Missbrauch in der Kirche, sagte er. Solange das so sei, müsse die Kirche auch Angebote nutzen, die von außen gemacht würden, um Aufarbeitung zu leisten, die das uneingeschränkte Vertrauen auch von Betroffenen genieße. Eine wichtige Rolle komme dabei dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, zu.
Die EKD verhandelt derzeit mit dem Missbrauchsbeauftragten Rörig über eine Vereinbarung für eine unabhängige Aufarbeitung ähnlich der, die die katholische Kirche im vergangenen Jahr bereits unterzeichnet hatte. Anfang März hatten EKD und Missbrauchsbeauftragter erklärt, eine Vereinbarung solle noch bis zum Ende des Sommers vor Ende von Rörigs Amtszeit erfolgen.
Am Freitag war bekannt geworden, dass der im August eingesetzte Betroffenenbeirat der EKD, der die Aufklärung von Missbrauch begleiten soll, offenbar vor der Auflösung steht. Fünf Mitglieder des zwölfköpfigen Betroffenenbeirats waren innerhalb der vergangenen Monate aus dem Gremium ausgetreten.
Gegen assistierten Suizid
Zudem sprach sich Bedford-Strohm in seinem Bericht an die Synodalen gegen eine mögliche Hilfe zum Suizid in kirchlichen Einrichtungen aus. „Als Kirche begleiten wir Sterbende auf ihrem letzten Weg unabhängig davon, wie dieser aussieht“, sagte er. Eine kirchlich-diakonische Einrichtung sollte sich aber nicht selbst an der Organisation und Durchführung der Suizidassistenz beteiligen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das bis dahin gesetzlich geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt. Der Deutsche Ärztetag hatte durch den Druck des Urteils in dieser Woche das Verbot der Suizidassistenz für Medizinerinnen und Mediziner aus seiner Berufsordnung gestrichen. Führende Ärztevertreter hatten zugleich betont, dass die Hilfe bei der Selbsttötung grundsätzlich nicht ärztliche Aufgabe sei.
Kritik an Antifa-Flagge bei "Sea-Watch 4"
Ein dominierendes Thema in der Debatte nach dem Ratsbericht war die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Einige Synodale, darunter die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg, kritisierten, dass auf dem Rettungsschiff „Sea-Watch 4“, das auch mit kirchlichen Spenden unterstützt wird, eine Antifa-Flagge weht. Es müsse von der Kirche eine deutliche Distanz zu jeglicher Art von Extremismus geben, sagte sie mit Blick auf im Namen der Antifa begangene Gewalttaten.
Bedford-Strohm hatte in seinem Bericht selbst unterstrichen, dass es zwischen ihm und dem Trägerverein für das Schiff „unterschiedliche Auffassungen“ über Sinn und Bedeutung der Flagge gebe. Für Gewalt gebe es für ihn keine Rechtfertigung. Die Diskussion über die Flagge finde er aber „absurd“. Das Entscheidende sei, dass das Schiff Leben rette.