Bibel und Schlüsselbund eines evangelischen Gefängnisseelsorgers
© epd-bild/Juergen Blume
In der Corona-Pandemie sind die Besuchszeiten in Gefängnissen verkürzt und streng geregelt worden. Seelsorger setzen sich für mehr Kontaktmöglichkeiten für die Familien von Gefangenen ein.
Gefängnisseelsorger mahnen trotz Covid:
Mehr Besuchsrecht für Kinder und Jugendliche
Gefängnisseelsorger setzen sich für mehr Kontaktmöglichkeiten für die Familien von Gefangenen in Pandemie-Zeiten ein. Kinder müssten ihre Väter oder Mütter in den JVA auch unter Corona-Bedingungen wieder häufiger besuchen und berühren dürfen, forderte die Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge.

Etwa 100.000 Kinder und Jugendliche könnten wegen der Pandemie ihr Grund- und Menschenrecht auf Kontakt mit ihren Eltern, auch wenn diese in Haft seien, nur eingeschränkt in Anspruch nehmen, beklagen die Seelsorger. Unter den Corona-Bestimmungen seien deutschlandweit in unterschiedlichem Umfang die Besuchszeiten verkürzt und streng geregelt worden worden. Das NRW-Justizministerium etwa schreibt „während des gesamten Besuchs ein absolutes körperliches Kontaktverbot“ vor.

Gerade darin sieht Adrian Tillmanns vom Vorstand der Konferenz einen Verstoß gegen geltendes Recht, der nicht bis zum Ende der Pandemie aufrechterhalten werden dürfe. Mit Tests, die möglichst in den Justizvollzugsanstalten selbst gemacht werden, müssten Besuche wieder möglich sein, sagte Tillmanns dem Evangelischen Pressedienst in Düsseldorf. Grundsätzlich verstehe er die Vorsichtsmaßnahmen. Eine Corona-Infektion in einer der Anstalten würde Gefangene und Personal vor große Probleme stellen: „Dann müssten die Gefangenen 23 Stunden - mit Ausnahme des Hofgangs - in ihren Zellen bleiben, der Kontakt untereinander wäre eingeschränkt und sie könnten nicht arbeiten“, so Tillmanns.

Gefängenenseelsorger Adrian Tillmanns (Archivbild).

In Haftanstalten in NRW sind Männern und Frauen so genannte Langzeitbesuche gestattet, drei Stunden ungestört in einem Raum. Die Erlaubnis dafür sei im Rahmen der Corona-Maßnahmen ausgesetzt worden, berichtete Tillmanns. „Das bedeutet sehr praktisch, dass sich selbst Ehepaare seit über einem Jahr nicht mehr getroffen haben, keine Nähe mehr austauschen konnten und in körperlicher Hinsicht vollkommen auf Entzug gesetzt worden sind.“ Daher zerbrächen viele Beziehungen. Gefangene litten verstärkt unter Depressionen. Das sei jetzt ein Schwerpunkt der Arbeit als Seelsorger, sagte Tillmanns, der bislang in einem der größten Gefängnisse Deutschlands, der JVA Werl bei Dortmund, tätig war.

Momentan keine Langzeitbesuche möglich

Die Besuchsregelungen waren eingeführt worden, um Familien möglichst stabil zu halten und die Eingliederung nach der Haft zu erleichtern. Auch in Frauengefängnissen, wie einem Teil der JVA von Köln-Ossendorf, seien Langzeitbesuche besonders wichtig, sagt Gefängnispfarrerin Claudia Malzahn. „Da konnten Familien zusammen sein, reden, kochen oder spielen.“ Das fehle zur Zeit. „Das ist für Frauen wie für Männer gleichermaßen scheußlich.“ In NRW sieht das Gesetz außerdem normalerweise zwei Mal eine Stunde Besuch pro Monat vor. In vielen Gefängnissen sei das wegen der Pandemie auf monatlich eine Stunde reduziert worden.

Die Evangelische Gefängnisseelsorge fordert Bund, Länder und Kommunen auf, das Menschenrecht auf Kontakt in Familien zu berücksichtigen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um besonders die Rechte von Kindern und Jugendlichen umfassend zu verwirklichen und zu schützen. Der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge mit Sitz in Hannover gehören die fast 300 evangelischen Seelsorger und Seelsorgerinnen in den Justizvollzugsanstalten Deutschlands an. Die Jahrestagung war in diesem Jahr von der Regionalkonferenz Bayern vorbereitet worden, musste wegen der Pandemie allerdings digital stattfinden.