Auf den Stationen fehle der Austausch zwischen Patienten und Besuchern: "Das macht das Krankenhaus zu einem ganz anderen Ort." Mit der Herstellung von Kontakten, etwa durch ausgeliehene iPads, habe die Klinikseelsorge in der Pandemie eine neue, zusätzliche Aufgabe erhalten. Am Sonntag fand ein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angeregter Gedenktag für die Verstorbenen der Corona-Pandemie statt.
Teilweise komme es vor, dass sich Patienten gegen die Besuchsverbote zur Wehr setzten, berichtete die Pfarrerin, die seit November 2020 am Elisabethenstift in Darmstadt tätig ist. So habe die Klinikseelsorge in einem Fall vermittelt, in dem ein Mann einer wichtigen Operation nur zustimmen wollte, wenn er vorher seine Angehörigen sehen dürfe. Thierfelder ist regelmäßig in der Covid-Station der Klinik vor Ort und begleitet auch sterbende Menschen, die intubiert werden und zum Teil nicht mehr sprechen können.
Trauernde wünschen sich Aussegnung Verstorbener
"Einmal vor Weihnachten bin ich von Angehörigen gebeten worden, dass ich zu ihrer sterbenden Mutter gehe", berichtete sie. Kurz zuvor sei bereits der Mann der Patientin an Covid-19 verstorben, andere Angehörige seien ebenfalls positiv getestet worden und hätten noch unter Quarantäne gestanden. "Ich habe zu der Frau gesprochen und dann irgendwann Weihnachtslieder gesungen", sagte Thierfelder. "Irgendwie wollte ich in diesem Raum zwischen all den Schläuchen und Geräten eine neue Atmosphäre schaffen."
Zunehmend wünschten sich Angehörige auch wieder eine Aussegnung verstorbener Familienmitglieder vor der Beerdigung. "Das ist ein wichtiger Schritt, um die Toten gehen zu lassen und selbst gehen zu können", sagte die Pfarrerin. Viele Trauernde würden eine solche Liturgie als hilfreich empfinden.
Schutzkleidung erschwert Seelsorge
Die seelsorgerische Betreuung von Covid-Patienten werde dadurch erschwert, dass auch Pfarrer Schutzkittel, Handschuhe, Masken und zusätzlichen Gesichtsschutz tragen müssten und nicht mehr zu erkennen seien. Für seelsorgerische Gespräche mit Angehörigen und dem Personal fehle in der Pandemie hingegen vielfach die Zeit. Die Angehörigen seien vor allem damit beschäftigt, Informationen über den Gesundheitszustand ihrer Familienmitglieder zu bekommen. Auch das Krankenhaus-Personal bleibe in einer Ausnahmesituation.
"Die Belastung ist schon sehr hoch, auch, wenn die Leute nicht besonders viel darüber sprechen", sagte Thierfelder. "Keiner hat Zeit und Nerven für Gespräche. Das ist aber eigentlich ein Anzeichen für eine Krise." Bis zum Start der Corona-Impfungen für das Krankenhaus-Personal sei die Anspannung allerdings noch größer gewesen. Viele Beschäftigten hätten sich Sorgen gemacht, sich selbst zu infizieren und aufgrund des Krankenstandes womöglich ganze Stationen nicht mehr betreuen zu können.