Seit Beginn der Pandemie haben sich deutlich mehr Menschen an die Telefon- und Schulseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) gewandt. Vor allem die Online-Angebote der Telefonseelsorge verzeichneten im vergangenen Jahr mehr Zulauf, wie die Landeskirche mitteilte. Demnach gab es den größten Zuwachs bei den Chat-Gesprächen, die gegenüber 2019 um 35 Prozent auf 6426 zulegten. Die Kontakte der E-Mail-Seelsorge seien um 28 Prozent auf 10.402 Kontakte gestiegen.
Die Schulseelsorge habe ein Drittel mehr Anfragen bekommen, teilte Sabine Lindemeyer von der Fachstelle Schulseelsorge des Pädagogisch-Theologischen Instituts mit. Vor allem die Zunahme von Suizidgedanken bei jungen Menschen sei erschreckend. "Seit Beginn des Jahres hat das Thema extrem zugenommen." Im Bereich der rheinischen JKirche arbeiten rund 100 Schulseelsorger:innen.
Jüngere denken häufiger an Suizid
"Vor allem während der Lockdowns waren die Seelsorge-Telefone stark frequentiert", erklärte der evangelische Leiter der Telefonseelsorge Saar, Volker Bier. Laut Statistik nahm die Zahl der Erstgespräche per Telefon 2020 um 2,5 Prozent zu. Einsamkeit sei das beherrschende Thema von Anrufen gewesen, die überwiegend von 40 bis 60-Jährigen kamen.
Deutlich häufiger hätten die Menschen auch über Depressionen geklagt - vor allem bei der Kontaktaufnahme über E-Mail, hieß es. Bei diesem Thema habe die Mail-Seelsorge einen Anstieg um 7,5 Prozentpunkte verzeichnet. Die Seelsorger wurden auch deutlich öfter mit Suizidabsichten konfrontiert. Bei Vor-Ort-Gesprächen habe dieses Thema um 20,3 Prozentpunkte zugenommen.
Gerade jüngere Menschen denken laut Statistik häufiger über Selbsttötung nach. Suizid sei vor allem im Chat mit knapp 40 Prozent das wichtigste Thema. Über diesen Kanal meldeten sich überwiegend junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Auch in 30 Prozent der E-Mail-Kontakte sei es um Selbsttötungs-Absichten gegangen.
Digitale Kanäle werden wichtiger
Junge Menschen litten ganz besonders unter den Corona-Beschränkungen, stellte Lindemeyer fest. "Die Schulseelsorger merken sehr stark, dass sich prekäre Situationen in Familien durch die Pandemie verstärkt haben." Viele Jugendliche fühlten sich durch den fehlenden Kontakt zu Gleichaltrigen einsam. Die Telefon- und Onlineseelsorge verzeichnet außerdem eine steigende Zahl junger Menschen mit diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Eine solche Diagnose liege bei 40 Prozent der Kontaktsuchenden im Chat vor. Das sei ein Plus von 15 Prozent. "Wir erwarten, dass wir nach der Pandemie in der Schulseelsorge noch einmal eine große Welle bekommen, weil die jetzt entstehenden psychischen Schwierigkeiten aufgefangen werden müssen", sagte Lindemeyer.
Positiv wertet die rheinische Kirche hingegen den Erfolg digitaler Kommunikationskanäle, die mit Beginn der Pandemie geschaffen oder ausgebaut wurden. Für die Schulseelsorge sei die Entdeckung digitaler Formate während der Pandemie ein wichtiger Schritt voran gewesen, sagte Lindemeyer. "Dadurch haben wir eine zusätzliche Gruppe gewonnen." Gerade Menschen, die bislang zu schüchtern gewesen seien, sich an die Seelsorge zu wenden, hätten nun die digitalen Kontaktmöglichkeiten genutzt. Jürgen Sohn, landeskirchlicher Dezernent für Seelsorge, kündigte an, die digitalen Kanäle in der Seelsorge künftig weiter auszubauen.
Für die Statistik wurden Daten der 20 Telefonseelsorge-Stellen auf dem Gebiet der rheinischen Kirche erfasst, die in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegen. Dort arbeiten rund 1.400 Ehrenamtliche, die von 40 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut werden.