Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
Markus 16,1–4 (Hier gelesen von Helge Heynold)
Liebe Freiheitfastende,
wann Sie wohl diese Mail lesen werden? Noch vor Karfreitag, also noch vor dem absoluten Tiefpunkt? Oder gerade da? Oder erst zu Ostern, wenn wir feiern, dass wir vom Tod befreit sind? Die Osterfeiertage folgen einer wunderbaren Choreografie: zuerst der Abend an Gründonnerstag. Die Christenheit dankt für Jesu Vermächtnis, das Abendmahl, das uns alle miteinander verbindet. Lebende und Tote, Gott, Engel und Menschen, alle sind heilig. Gleichzeitig ist es der Abend, an dem Jesus gefangen genommen wird. Das große Leiden beginnt. Trotzdem ist die liturgische Farbe an diesem Abend Weiß wie das ewige Licht, das sich bereits erahnen lässt.
Dann Karfreitag. Gott macht Ernst mit seinem Vorhaben, Mensch zu werden. Zum Menschsein gehört das Sterben. Nicht friedlich, sondern gefoltert und schreiend stirbt Jesus. Die ihm folgten, verstreuen und verstecken sich. Angst und Trauer regieren. Schwarz ist die liturgische Farbe. Der Altar ist abgeräumt, Orgel und Glocken schweigen außer zur Stunde, in der Jesus endgültig stirbt.
Zu Karsamstag sagen viele Leute bereits Ostersamstag. Das ist kein Wunder, denn der Tag schwebt irgendwo zwischen Himmel und Hölle. Jesus liegt allein im Grab. Der Stein ist vor die Gruft gerollt. Keine Gottesdienste an diesem Tag. Grabesstille in der Kirche, bis es wieder Abend wird. Dann beginnt die Osternacht. Gemeinsam wird gesungen und es wird erinnert, dass Gott das Leben will. Dann wird die neue Osterkerze entzündet. Noch ist alles dunkel draußen, aber es tut sich etwas. Das Licht breitet sich aus und wird heller. Und wird laut gerufen: „Der Herr ist auferstanden!“ Und wer es hört, antwortet mit: „Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“ Der Tod ist besiegt. Alles wird wieder weiß! Lachend feiert man das Leben.
Wann Sie wohl diese Mail lesen werden? Es ist schwierig, einen Bibeltext für die letzte der „7 Wochen Ohne“ auszusuchen, weil in der so viel geschieht. In diesem Jahr ist die Wahl auf einen Ostertext gefallen, aber der Ausschnitt ist so gewählt, dass er die Spannung hält. Maria, Maria und Salome wollen endlich tun, was zu tun ist. Sie machen sich so früh es geht auf den Weg, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren, damit er in Frieden ruhen kann. Wer einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, wie wichtig es ist, sich angemessen von ihm verabschieden zu können. Die Frauen, die da zum Grab gehen, hatten diese Gelegenheit nicht. Niemand konnte Jesus die Hand halten oder ihm auf andere Weise nahe sein, als er starb.
Die drei Frauen sind unterwegs und einerseits haben sie für ihr Vorhaben gut vorgesorgt. Sie haben die Öle dabei, die sie benötigen. Andererseits haben sie ihr Vorhaben nicht vollständig geplant. Jesus liegt in einer Gruft, die von einem großen Stein verschlossen wird. Erst als die drei unterwegs sind, fragen sie sich, wer ihnen wohl helfen wird, diesen Stein wegzuwälzen, damit sie überhaupt in das Grab gehen können. Man könnte nun sagen, dass die Frauen sich das früher hätten überlegen sollen. Man könnte ihre Planlosigkeit kritisieren. Vielleicht ärgern sie sich in diesem Moment sogar über sich selbst, dass sie darüber bislang nicht gesprochen haben. Ich hingegen freue mich darüber, dass die beiden Marien und Salome ihren Plan nicht ganz bis zu Ende durchdacht haben. Sie haben sich auf den Weg gemacht, weil es sein musste. Das Wichtigste haben sie dabei. Alles andere wird sich unterwegs finden. Hauptsache, sie haben die Öle dabei! Für den Stein muss man eben jemanden um Hilfe bitten.
Es ist genau diese Art Pragmatismus, den ich mir für unsere Zeit wünsche: sich auf den Weg machen. Nicht darauf warten, dass alles wieder gut ist, sondern das tun, was man selbst tun kann. Sich die Freiheit nehmen, etwas in die eigenen Hände zu nehmen. Und auf dem Weg schauen, wo man jemanden findet, der mithilft. Und vielleicht erlebt man dann ja eine ähnliche Überraschung wie die drei Frauen am Grab. Schon von Ferne können sie sehen, dass ihr Problem bereits gelöst ist. Der Stein ist fort.
Natürlich endet damit nur der Text für diese Fastenwoche, nicht aber die ganze Geschichte. Die hält noch weitere Überraschungen bereit. Und es sind nicht nur frohe Überraschungen, sondern auch solche, die wieder Angst machen. Das Grab ist leer! Wieder werden die drei ihrer Möglichkeit beraubt, Abschied zu nehmen. Und Angst macht sich breit, denn was sie erfahren, ist unheimlich. Ein junger Mann in weißer Kleidung erzählt ihnen, Jesus sei auferstanden. Das ist zu viel für die drei. Sie fliehen – zunächst. Unser Ostern wird ähnlich unheimlich sein. Unsere Vorhaben werden nicht wie sonst gelingen. Und das Leben wird sich anders anfühlen. Der endgültige Sieg lässt weiter auf sich warten. Ostern ist eine entscheidende Zäsur. An diesem Morgen ist der Tod besiegt. Die Welt dreht sich weiter. Menschen werden geboren, leben und sterben auf ihr. Doch steht ab diesem Tag alles unter dem Vorzeichen, dass am Ende das Leben steht und nicht der Tod.
Meine letzte Wochenaufgabe für diese Fastenzeit lautet: Nehmen Sie sich etwas vor, das Sie nicht bis zu Ende geplant haben! Starten Sie ein Vorhaben, bei dem Sie unterwegs Hilfe brauchen werden! Gehen Sie das Risiko ein, dass Ihr Vorhaben anders verlaufen wird, als Sie es sich gerade vorstellen. Nehmen Sie sich den Spielraum für einen Plan, der eventuell scheitern könnte – oder in einer großen Überraschung enden könnte.
Die Welt dreht sich weiter, und die Pandemie ist weiter hier. Darum habe ich noch ganze vier Ankündigungen für Sie, bevor ich mich vorerst verabschiede.
- Zunächst bedanke ich mich für Ihr treues Lesen dieser Fastenmail. Wir bedanken uns auch, indem wir Ihnen eine kostenlose Ausgabe der Zeitschrift chrismon plus schenken. Einfach hier anfordern.
- Zweitens möchte ich Ihnen sagen, dass ich mein Versprechen halten und nach Ostern wieder meine „Zuversichtsmails“ schreiben werde. Wenn Sie also weiterhin meine Gedanken zu ausgesuchten Bibelstellen lesen und von mir Wochenaufgaben bekommen möchten, melden Sie sich bitte für den Newsletter von evangelisch.de an, wenn Sie das nicht bereits getan haben. Dies ist der Link.
- Drittens möchte ich Sie einladen, die Osterfeiertage zusammen mit einem Online-Gottesdienst am Gründonnerstag zu beginnen. Wir werden einen Gottesdienst mit Tischabendmahl feiern, an dem Sie per Videokonferenz teilnehmen können; oder Sie verfolgen den Gottesdienst als Livestream. Weitere Informationen und Anmeldung gibt es unter diesem Link.
- Nicht zuletzt weise ich auf den letzten Online-Bibliolog hin, der diesmal nicht am Freitag, sondern am Karsamstag stattfinden wird. Anmelden können Sie sich wie immer unter diesem Link.
Nun aber ist es Zeit, dass ich auf Wiedersehen sage.
Auf Wiedersehen!
Ihr Frank Muchlinsky