Da stand Bileam am Morgen auf und sattelte seine Eselin und zog mit den Fürsten der Moabiter. Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des HERRN trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Er aber ritt auf seiner Eselin, und zwei Knechte waren mit ihm. Und die Eselin sah den Engel des HERRN auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, um sie wieder auf den Weg zu bringen. Da trat der Engel des HERRN auf den Pfad zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer, und er schlug sie noch mehr. Da ging der Engel des HERRN weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, fiel sie auf die Knie unter Bileam. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stecken. Da tat der HERR der Eselin den Mund auf, und sie sprach zu Bileam: Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? Bileam sprach zur Eselin: Weil du Mutwillen mit mir treibst! Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte, ich wollte dich töten! Die Eselin sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben? Er sprach: Nein. Da öffnete der HERR dem Bileam die Augen, dass er den Engel des HERRN auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht. Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen; denn der Weg vor mir führt ins Verderben.
4. Mose 22,21–32 Hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Eingeklemmte,
haben Sie schon einmal einen Traum gehabt, in dem Sie sehr schnell rennen und trotzdem nicht von der Stelle kommen? Man sagt, solche Träume seien häufig. Sicher sagen sie etwas über den momentanen Gemütszustand der Person aus, die so etwas träumt. Lebten wir noch in einer Zeit, in der Träume nicht als nächtliches Aufräumen unseres Geistes gelten, sondern als Eingebungen, könnte man die Interpretation wagen: Alle, die jemals so etwas träumten, haben im Traum bereits diese Pandemie gesehen. Man bewegt sich, man müht sich ab und hat gleichzeitig den Eindruck, nichts würde sich verändern.
Der biblische Text für diese Woche beschreibt eine ähnliche Szene, und auch in dieser Geschichte geht es wie in einem Traum zu: Unglaubliche Dinge geschehen. Unsichtbare Engel stellen sich Bileams Reittier entgegen. Die Eselin kann den Engel sehen, aber Bileam nicht. Bileam schlägt die Eselin, die fängt an zu reden. Bileam scheint sich darüber nicht zu verwundern, denn auf die Frage, die das Tier ihm stellt, antwortet er, ohne zu zögern. So geht es auch in Träumen zu: Viele Dinge, die uns im wachen Zustand unmöglich erscheinen, nehmen wir im Traum einfach hin.
Nach dem Aufwachen erscheinen Träume dann aber oft verworren. Die Geschichte von Bileam ist ebenfalls verworren, und sie machte es den Bibelgelehrten immer schon schwer, sie auszulegen. Das liegt vor allem an der Aufgabe, die Bileam bekommt, und an der Frage, was Gott von ihm will. Ich fasse kurz zusammen: Das Volk Israel ist unter der Führung Moses immer noch auf dem Weg in das verheißene Land. Man ist bereits weit gekommen, bis nach Moab, östlich des Toten Meeres. Der König von Moab bekommt Angst vor der Größe Israels und schickt Boten zu einem Menschen namens Bileam, der am Euphrat lebt. Bileam soll das Volk Israel verfluchen, damit die Moabiter im Kampf gegen sie eine bessere Chance haben. Bileam ist aber erstaunlicherweise bereits mit dem Gott Israels bekannt. Gott verbietet Bileam, mit den Boten zu gehen. Die erzählen es dem König, der schickt sie noch einmal los, und diesmal sagt Gott zu Bileam, er solle mitgehen, aber genau tun, was Gott ihm sagen würde. Kaum aber bricht Bileam auf, beginnt unsere Geschichte, und Gottes Zorn entbrennt über Bileams Aufbruch. Es folgt die Geschichte mit der Eselin. Anschließend geht die Reise weiter, und nach einem langen Hin und Her zwischen Bileam und dem Moabiterkönig segnet Bileam am Ende der Geschichte Israel, anstatt es zu verfluchen.
Und mittendrin in dieser merkwürdig verworrenen Geschichte steht unser märchenhafter Text – wie ein Traum innerhalb eines Traumes. Der arme Bileam! Der König von Moab und seine Fürsten sagen ihm, was er tun soll und wo er hinziehen soll. Gott sagt ihm einmal dies und einmal das, und dann fängt auch noch seine Eselin an zu bocken. Jetzt muss er sich auch von seinem Reittier diktieren lassen, wo es hingehen soll. Alle Welt sagt Bileam, was er tun soll, aber niemand fragt jemals nach seiner Meinung. Die Situation eskaliert, als Bileams Weg enger und enger wird, bis seine Eselin schließlich ganz anhält. Die Szene kommt mir bekannt vor. Ich kann nicht anders, als Parallelen zu unserem Stop-and-go zu ziehen: Auch uns wird derzeit einmal dies und einmal das gesagt, was wir tun sollen. Kaum geht es wieder voran, wird der Weg enger, dann wieder Stillstand.
Ich kann Bileams Wut sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich es schlimm finde, dass er die Wut an seinem Reittier auslässt. Bileam hat keinerlei Kontrolle mehr über seinen Weg. Das ist ein fürchterliches Gefühl. Zum Glück fängt die Eselin an zu sprechen, und zum Glück lässt sich schließlich auch der Engel blicken, damit Bileam wenigstens verstehen kann, warum es gerade so stockend vorangeht. Es ist das, was auch wir gerade so dringend brauchen: Wir wollen vorankommen, wollen unsere eigenen Wege gehen und bekommen doch unseren Weg vorgeschrieben. Da wollen wir wenigstens verstehen, wozu es gut ist!
Und wozu ist es nun gut? Dafür müssen wir bis ans Ende der Geschichte schauen. Anstatt zu verfluchen, segnet Bileam. Damit es so kommen kann, scheint es nötig zu sein, verworrene Wege zu gehen und sich auf Wege einzulassen, die einem vorgeschrieben werden – und sei es von einem Esel! Darum lautet meine Wochenaufgabe: Segnen Sie jemanden, den Sie am liebsten verfluchen würden! Denken Sie an jemanden, der Ihnen das Leben gerade schwermacht. Denken Sie an jemanden, die Ihnen den Weg versperrt oder vorschreibt, wo es langgehen soll. Und dann bitten Sie Gott um seinen Segen für diese Person! Lassen Sie sich die Ohren öffnen für das, was die Eselin sagt, und lassen Sie sich die Augen öffnen für den Engel, der vor Ihnen steht!
Segnen Sie reichlich und bleiben Sie gesegnet!
Ihr Frank Muchlinsky