Petra Bahr zu den psychischen Folgen der Pandemie
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Auf der bayrischen Landessynode wies Petra Bahr in ihrem theologischen Impuls darauf hin, dass sich Trauer seit der Pandemie "in rasanter Geschwindigkeit" privatisiert habe.
Theologin Bahr: Corona hat Trauer rasant privatisiert
Was macht Corona mit den Menschen abseits der akuten Erkrankung? Welche psychischen Folgen hat die Pandemie? Was macht es mit Angehörigen, wenn sie fast alleine Verstorbene beerdigen müssen? Mit diesen Fragen hat sich die bayerische Landessynode beschäftigt.
25.03.2021
epd
Von Achim Schmid und Daniel Staffen-Quandt

Was hat Corona theologisch in der bayerischen Landeskirche ausgelöst und welche Konsequenzen könnten die Pandemie-Erfahrungen für den christlichen Glauben und die Kirchenleitung haben? Mit diesen und ähnlichen Fragen hat sich am Dienstag die Landessynode während ihrer Frühjahrstagung beschäftigt. Beim Thementag unter der Überschrift "Glaube in verletzlicher Zeit" gaben unter anderem Trauma-Therapeutin Martina Bock und der Palliativmediziner Marcus Schlemmer Impulse - ein theologischer Vortrag kam von Hannovers Regionalbischöfin Petra Bahr.

Nach Beobachtung von Medizinern und Trauma-Experten haben die wegen der Corona-Pandemie verhängten Einschränkungen zu gravierenden psychischen Problemen geführt. Durch die Einschränkungen hätten Menschen die Sicherheit fester Strukturen etwa im Beruf oder im Privatleben verloren, was Verunsicherung und existenzielle Angst auslösen könne, sagte die Traumapädagogin Martina Bock vor der in digitaler Form tagenden bayerischen Landessynode.

Alte Traumata könnten aufbrechen

Vor allem bei Menschen, die bereits unter belastenden Erfahrungen leiden, könnten alte Traumata aufbrechen. Als Beispiel nannte die Trauma-Expertin von der Stiftung "Wings of Hope" Opfer von Gewalt- und Sexualverbrechen. Denn durch die Masken, die häufig auch die Täter getragen haben, würden sie an diese Verbrechen und ihr Leid erinnert.

Der Palliativ-Mediziner Marcus Schlemmer bezeichnete es als "Kulturschock", dass Menschen in Intensivstationen einsam und ohne Begleitung sterben mussten. In dieser Situation seien auch Kontakte über Zoom oder Telefon keine Hilfe, da Trauer und Trost nur durch menschliche Begegnung möglich sei. Deshalb habe es vor der Pandemie in palliativen Einrichtungen keine festgelegten Besuchszeiten gegeben, damit man Sterbende jederzeit auch nachts besuchen konnte, sagte der Chefarzt der Palliativen Klinik am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München, die mit 32 Plätzen die größte Station für schwerstkranke Menschen in Deutschland ist.

Perspektivwechsel nach Pandemie?

Die Hannoversche Regionalbischöfin und frühere Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Kultur, Petra Bahr, wies in ihrem theologischen Impuls darauf hin, dass sich Trauer seit der Pandemie "in rasanter Geschwindigkeit" privatisiert habe. Dieser Prozess der Privatisierung sei freilich schon vor Corona zu beobachten gewesen. Die staatlichen Teilnehmer-Begrenzungen bei Beerdigungen hätten ihn aber enorm beschleunigt, sagte die Theologin weiter: "Ob Traditionen, die so lange unterbrochen waren, wiederkommen - das steht zu bezweifeln."

Weil die Toleranz in der Gesellschaft für unterschiedliche Einschätzungen der Pandemie abnehme, müssten "Dialogräume" geschaffen werden, schlug die Trauma-Expertin Martina Bock vor. In diesen Räumen solle jeder seine unterschiedlichen Erfahrungen und Ansichten mitteilen können, ohne abgestempelt zu werden.

Als eine mögliche positive Auswirkung der Pandemie sieht der Mediziner Marcus Schlemmer ein neues Bewusstsein der Menschen dafür, was in ihrem Leben wirklich wichtig ist. Das könne sich auf das Konsumverhalten und die Einschätzung von menschlichen Beziehungen auswirken.