Die geplanten Umbauvorhaben der bayerischen Landeskirche und der Nürnberger Innenstadtgemeinde St. Lorenz für die Nürnberger Lorenzkirche sorgte zuletzt für heftige Kritik, wie evangelisch.de berichtete. Es wären die umfangreichsten Baumaßnahmen an der Lorenzkirche seit 500 Jahren, die tief in die spätgotische Architektur eingreifen würden.
So soll in den kommenden zwei Jahren der Eingang durch das Westportal geöffnet und eine mehrgeschossige Konstruktion eingezogen werden, die auch wieder rückgebaut werden könne, ohne die Bausubstanz zu beschädigen. Auf drei Ebenen könnten dann der Souvenirverkauf, Empfang, Räume für die Mitarbeitenden und per Aufzug erreichbare Lager- und Technikräume untergebracht werden. Das wäre ein rund elf Meter hoher Einbau einer aus Bronze und Glas konstruierten Trennung im Innern zwischen einem sechs Meter tiefen Eingangsbereich.
Am 9. März 2021 wurde nun von Wissenschaftler:innen überwiegend aus der Kunstgeschichte und Denkmalpflege eine Resolution zur Ablehnung eines mehrgeschossigen Einbaus in das Langhaus der Lorenzkirche Nürnberg an den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein von der Kirchengemeinde St. Lorenz in Nürnberg eingereicht.
Im Wortlaut heißt es dort:
"Wir protestieren gegen das Vorhaben, in das westliche Drittel des Langhauses der Nürnberger Lorenzkirche ein mehrgeschossiges Einbauelement einzubringen, und fordern dessen Aufgabe.
Die Lorenzkirche ist eines der wichtigsten identitätsstiftenden Gebäude Nürnbergs, das besonders zu ihrer Bauzeit zu den wichtigsten Städten Europas gehörte. Sie gilt als Paradebeispiel einer spätmittelalterlichen Bürgerkirche und zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der Gotik, womit ihr Weltrang zukommt. Selten ist in einer Kirche dieser Epoche eine derart wirkungsvolle Steigerung der Raumentfaltung von den westlichen Bereichen hin zum Hallenchor im Osten gelungen. Der Innenraum beherbergt vor allem vorreformatorische Kunstwerke in einer Fülle und Qualität, wie sie nur an wenigen Orten zu finden sind. Einige Werke der Bildhauerei, Steinmetzkunst und Glasmalerei gehören zu den Spitzenleistungen der Epoche.
Nach der im Dezember 2020 vorgestellten Planung soll in diesen kostbaren Raum ein dreigeschossiger Einbau eingestellt werden, der sowohl den Bereich unter der Westempore einnimmt, als auch die jeweils ersten drei von neun Jochen beider Seitenschiffe vom Kirchenraum abtrennt. Das Raumbild würde dramatischen Schaden nehmen. Nicht nur die als prägendes Gestaltungselement bewusst zum Kirchenraum hin geöffneten Turmhallen wären vom Innenraum abgeschnitten und somit nicht mehr als solche zu erkennen; auch die angrenzenden Joche wären nicht mehr als Teile des Gesamtraums wahrzunehmen. Die als Gewinn propagierte Öffnung des Hauptportals würde konterkariert durch den gläsernen Windfang unmittelbar dahinter, vor allem aber durch die zwischen die Bündelpfeiler unter der Westempore eingestellten Metallbögen, die den bisher freien Durchgang ins Mittelschiff auf eine Breite von unter 2 m reduzieren.
Der feierliche Einzug in die Kirche, der von Anfang an zu den wichtigsten liturgischen Ereignissen zählte, wäre damit blockiert. Die optische Wirkung der Reversseite der Westfassade, die sich durch das Zusammenspiel der offenen Emporenhalle mit der Fensterrose, einem der bedeutendsten Radfenster der Gotik, ergibt, wäre durch den unter der Empore abgetrennten Raum aufgehoben. Außen würde der geplante Wegfall der für die Wirkung des Hauptportals essenziellen Stufen die Westfassade sowie die Gestaltung des Lorenzer Platzes beeinträchtigen. All dies wiegt besonders schwer, da gerade die Westanlage die Kriegszerstörungen am besten überdauert hat und den ungestörtesten Bestand an mittelalterlicher Bausubstanz aufweist.
Um die Standsicherheit der großvolumigen Konstruktion zu gewährleisten, wären umfassende Eingriffe in die gegebenen Bodendenkmäler nach unserer Einschätzung unvermeidbar. Unrealistisch ist das Vorhaben, die bis zu knapp zwölf Meter hohen Trennwände ohne Eingriffe in das aufgehende Mauerwerk berührungsfrei zwischen die Bündelpfeiler zu stellen. Bedeutenden Kunstwerken, die sich teils seit Jahrhunderten an ihrem Standort befinden, drohen der riskante Ausbau und die Versetzung, weitere würden durch ihre Nähe zu den geplanten Trennwänden ästhetisch erheblich beeinträchtigt. Auch die Folgen für das Raumklima sind unabsehbar.
Ebenso inakzeptabel wie das Projekt selbst ist die Tatsache, dass eine öffentliche Diskussion darüber wegen der lange unter Verschluss gehaltenen Planung nicht stattfinden konnte. Dies zeugt von wenig Respekt gegenüber der Expertise von Fachwissenschaftler*innen und dem Interesse der Öffentlichkeit. Der geplante Einbau läuft denkmalpflegerischen und konservatorischen Maßstäben zuwider und widerspricht zudem völlig dem Konzept des historisch getreuen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Vorhaben lässt eine mangelnde Sensibilität für die architektonischen wie kunsthistorischen Qualitäten, letztlich für die Würde dieses hochrangigen historischen Sakralraums erkennen."
Unterzeichnet haben Wissenschaftler:innen des deutschen Sprachraums und auch aus der angloamerikanischen Wissenschaftscommunity. Die Resolution wird unterstützt von Fachvertreter:innen der Kunst- und Architekturgeschichte, der Geschichte, der Theologie sowie der Denkmalpflege, von Dombaumeister:innen, Museumsdirektor:innen und Restaurator:innen. Die Resolution mit den Unterzeichner:innen liegt der evangelisch.de-Redaktion vor. Mit dem Engagement der Wissenschaftler:innen geht die Auseinandersetzung um ein bedeutsames kulturelles und religiöses Erbe mitten in der Stadt Nürnberg in die nächste Runde.