Wenn die Einnahmen entfallen, die Alltagsstruktur wegbricht und persönliche Kontakte reduziert werden müssen, könnten manche Menschen die Balance im Leben verlieren, sagte Martens dem Portal nordkirche.de. Gerade regelmäßige Arbeit und eine feste Alltagsstruktur würde Menschen in schwierigen psychischen Situationen stabilisieren.
Die Notfallseelsorge sei im vorigen Jahr mit Einsätzen konfrontiert gewesen, in denen betroffene Angehörige ausdrücklich den Suizid des Verstorbenen mit der Pandemie verbunden haben, sagte Martens. Auch wenn dabei jemand nicht direkt an Corona verstorben ist, so sei er doch durch die Folgen der Pandemie zu Tode gekommen. "Zurzeit kann unsere Gesellschaft das noch nicht wahrnehmen."
Ausmaß der Pandemie unterschätzt
Sie selbst habe vor einem Jahr das Ausmaß der Pandemie unterschätzt, räumt die Seelsorgerin ein. Es mache sie betroffen, wie viel manchen Menschen zugemutet worden sei. Dazu zählten etwa die Besuchsverbote in den Alten- und Pflegeheimen, in den Krankenhäusern und Hospizen sowie in den Gefängnissen. Die Gesellschaft würde viele Opfer der Pandemie gar nicht sehen. Martens: "Wir erkennen oft nicht, welchen Belastungen Menschen durch die Gesetze und Besuchseinschränkungen ausgesetzt sind."
Die Frage für die Zukunft sei, ob die Menschen in der Angst verharrten oder ob es gemeinsam gelinge, der Hoffnung Raum zu geben, sagte die Pastorin. In den letzten Wochen und Monaten sei sie einer großen Angst begegnet. Diese sei wichtig, um entschlossen Maßnahmen zu ergreifen. Doch müsse sie begrenzt werden, um in dieser komplexen Lage die Breite der Wahrnehmung nicht einzuengen.
Sie wünsche sich daher ein Aufbrechen des engen Horizonts durch die Hoffnung, damit sie im Menschen eine kraftvolle Energie entwickelt. Martens: "Wir müssen als Menschen üben, damit umzugehen, dass wir keine 100-prozentige Sicherheit haben." Es sei eine Uraufgabe von Religion, diese Unsicherheit mit Lebensmut zu füllen.