Die heute 58-jährge Martens begann vor 20 Jahren damit, die Notfall-Seelsorge in Hamburg aufzubauen. Am 2. Juli 2000 wurde sie im Hamburger Michel zur Pastorin ordiniert. Der geplante Jubiläumskongress wurde Corona-bedingt auf 2021 verschoben.
Zu etwa vier bis fünf Einsätzen wird die Hamburger Notfall-Seelsorge jede Woche gerufen. Zu 85 Prozent sind es Einsätze in einer Wohnung. Erneli Martens: "Dort passieren ja auch die meisten Unfälle." Gerufen wird sie auch bei Suizid oder einem ganz natürlichen Todesfall. "Wenn eine alte Frau ihren Ehemann tot im Bett findet, braucht sie jemanden zum Reden." Das System ist klar durchstrukturiert: Wenn die Leitstelle der Feuerwehr die Notfall-Seelsorge anfordert, hat Erneli Martens oder eine andere Seelsorgerin Bereitschaftsdienst. Sie kontaktieren dann den zuständigen Gemeindepastor und entscheiden, wer den Einsatz übernimmt.
Rund 15 Prozent der Einsätze betreffen den öffentlichen Raum: Autounfälle, Suizide in der Öffentlichkeit, Bade- oder Arbeitsunfälle. Eine Gruppe von knapp 20 Pastoren und Pastorinnen steht dafür bereit. In der Regel treffen die Notfall-Seelsorger eine Stunde nach Polizei und Feuerwehr am Unglücksort ein und können dann ermitteln, wer ein seelsorgerliches Gespräch wünscht.
Oft geht es darum, den betroffenen Menschen emotional zu erreichen. "Meist haben diese Menschen ja innerhalb weniger Sekunden ihren inneren Halt verloren", sagt Erneli Martens. Sie müssten ein Ereignis begreifen, dass sie noch nie zuvor erlebt haben. "Manchmal braucht es einfach Worte dafür." Anderen sei dagegen mehr geholfen, die Situation mit allen Daten und Fakten nüchtern durchzusprechen.
Dass eine Notfall-Seelsorgerin zwischen Wrackteilen und Blutlachen mit Verletzten spricht, sei die absolute Ausnahme, weiß die Pastorin. Es sei auch eher das scheinbar Normale, was ihr zu Herzen geht. So erinnert sie sich an eine fröhliche und herzliche Familie mit zwei Kindern, deren Vater zu Tode gekommen war. Im Gespräch habe sie geahnt, dass die glückliche Zeit dieser Familie unwiederbringlich vorbei sei.
Viel Freiraum, aber auch anstrengende Momente
Die gebürtige Dithmarscherin, die in Hamburg aufgewachsen ist, stammt aus einer Pastorenfamilie. Die Mutter von zwei Söhnen wurde nach der Familienphase und einem aufgegebenen Chemie-Studium erst mit 38 Jahren Pastorin. Sie wäre gerne in eine Gemeinde gegangen, aber angesichts der damaligen Pastorenschwemme bot man ihr die Leitung der geplanten zentralen Notfall-Seelsorge an - eine halbe Stelle auf drei Jahre befristet. Die Arbeit habe ihr großen Freiraum geboten, erinnert sie sich heute. Aber es habe auch viel Kraft gekostet, sich bei der Feuerwehr durchzusetzen.
Mittlerweile wird die Qualität ihrer Arbeit bei der Feuerwehr hoch geschätzt. Sie ist heute als Landesfeuerwehrpastorin auch Ansprechpartnerin für die Feuerwehrleute, unterstützt sie nach schweren Einsätzen und ist in der Ausbildung tätig. Ihr Büro hat sie unterm Dach der Feuerwache am Berliner Tor. Gelegentlich tauscht sie ihre violette Warnweste gegen den Talar und predigt in der Hauptkirche St. Petri. Im Kirchturm ist auch ihr erster Dienstwagen ausgestellt: ein knallroter Feuerwehr-Smart.