Dozenten und Studierende der Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten sind sich einig: Die bisher räumlich getrennten Fachbereiche "Kirchenmusik Klassisch" (Herford) und "Popularmusik" (Witten) sollen künftig unter einem Dach stattfinden, so ihr Wunsch. Bis zum Sommer will die Evangelische Kirche von Westfalen als Trägerin der renommierten Hochschule darüber entscheiden. In dieser Woche findet ein erster digitaler "Standort-Gipfel" statt.
Bereits seit 1949 bildet die westfälische Kirche in Herford hauptberufliche Kirchenmusiker mit Schwerpunkt Orgelspiel und Kirchenchorleitung aus. In den vergangenen Jahrzehnten fassten auch Jazz, Rock und Pop als Musikstile in den Gemeinden Fuß. 2016 etablierte die Hochschule daher den bundesweit ersten Studiengang "Kirchenmusik Popular" an der Evangelischen Pop-Akademie. Die Einrichtung ist eine Kooperation mit der Stiftung Creative Kirche.
Wechselseitig inspirieren
Die Hoffnung war, dass sich beide Stilrichtungen wechselseitig inspirieren und befruchten, wie der Prorektor der Hochschule, Ulrich Hirtzbruch, erläutert. Gemeinsame Chortage und Semestereröffnungen, Dozentenaustausch und Projekte sollten dies trotz 150 Kilometern Entfernung zwischen dem ostwestfälischen Herford und Witten im Ruhrgebiet ermöglichen. Derzeit sind 60 Studierende eingeschrieben, je zur Hälfte für Pop und Klassik. Laut Hirtzbruch ist sie damit eine der größten der bundesweit sechs evangelischen Musikhochschulen.
Die Distanz zwischen Herford und Witten erschwert aber den zwanglosen Austausch zwischen den jungen Musikern, Begegnungen mussten schon vor Corona mühsam organisiert werden. 2018 votierten Lehrkräfte und Studenten einmütig: "Wir wollen unter ein Dach!" Seither habe die Landeskirche verschiedene Optionen sondiert, sagt der zuständige Dezernent im Bielefelder Landeskirchenamt, Vicco von Bülow - unter anderem eine Zusammenlegung von Klassik und Pop in Herford oder der Umzug der beiden Bereiche "auf Augenhöhe" in einen Neubau nach Bochum.
"Tür an Tür"
In Bochum hatte die westfälische Kirche vor einigen Jahren in unmittelbarer Nähe der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe ein Grundstück zur Flächenarrondierung gekauft. In direkter Nachbarschaft zur bundesweit größten evangelischen Hochschule mit rund 2.500 Studierenden sieht von Bülow die eigenständige Kirchenmusik-Ausbildung mit künftig 80 Studienplätzen weit über das kommende Jahrzehnt hinaus gesichert - "auch angesichts verschärfter kirchlicher Spardebatten."
In Bochum würden die Kirchenmusiker in Nachbarschaft zu den Gemeindepädagogen und Sozialarbeitern an der Evangelischen Hochschule ausgebildet. Die Ruhr-Uni mit einer theologischen Fakultät ist ebenfalls nicht weit. "In Zeiten des Pfarrermangels werden in Kirchengemeinden verstärkt interprofessionelle Teams arbeiten", sagt von Bülow. Da sei eine Ausbildung "Tür an Tür" von großem Vorteil. Bei der musiktherapeutischen Ausbildung von Heilpädagogen gebe es bereits jetzt eine Zusammenarbeit der Hochschulen.
Für den Traditionsstandort Herford, eine über 130 Jahre alte große Villa mit Parkanlage, machen sich dagegen ostwestfälische Kirchenkreise stark. "Wir haben hier eine dichte kirchenmusikalische Landschaft, ein breites praktisches Übungsfeld für die Studierenden", argumentiert der Herforder Superintendent Olaf Reinmuth. Die angehenden Kirchenmusiker übernehmen Orgel- und Chorleiterstellen in der Region, begleiten Gottesdienste und hochkarätige Konzerte wie etwa der Nordwestdeutschen Philharmonie.
Ruhrgebiet "kultureller Resonanzraum"
Auch viele Musiker und Absolventen der Hochschule hätten sich für ein Zusammengehen in Herford ausgesprochen, so Reinmuth. Schon jetzt werde kirchliche Popularmusik in der Region mit großem Engagement betrieben. Professor Hirtzbruch verweist zudem auf etablierte Netzwerke für Sponsoring und Fundraising: "Das alles lässt sich nicht von heute auf morgen anderswo neu aufbauen." Bochum und das Ruhrgebiet seien zweifelsohne ein "großer kultureller Resonanzraum, doch müsse dieses Potenzial erst einmal gehoben werden", erklärt der Prorektor.
Landeskirchenrat von Bülow betont, die Kirchenleitung wolle in die Hochschule investieren und sie "zukunftsfest" aufstellen. So oder so: Die Landeskirche muss viel Geld in die Hand nehmen. Ein Neubau in Bochum wird mit rund 16,5 Millionen Euro veranschlagt. Wegen des hohen Sanierungsbedarfs des Altbaus in Herford und der nötigen Erweiterung dürften die Kosten am traditionellen Standort nicht viel niedriger sein. Superintendent Reinmuth hat eine Beteiligung des Kirchenkreises Herford an der Finanzierung von Umbaumaßnahmen ins Gespräch gebracht.