"Die Kälte des Todes ist verschärft körperlich spürbar geworden, nicht nur durch unbeheizte Kapellen oder Trauerfeiern im Freien", sagte der Gert Stührmann, der beim Zentrum für Seelsorge und Beratung der Landeskirche Hannovers arbeitet, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Das beginne schon beim Trauergespräch, das nur noch selten in der Wohnung der Hinterbliebenen stattfinde, sondern - meist mit Maske - in Gemeindezentren oder aber per Telefon. Auf der einen Seite sei diese Distanz für die Trauernden schwer zu ertragen, auf der anderen Seite sei es für Seelsorger auf diese Weise schwieriger, ein umfassendes Bild des Verstorbenen zu gewinnen. "Auch die Atmosphäre in der vertrauten Umgebung der Hinterbliebenen erzählt etwas."
Wenn dann am Telefon über Lautsprecher mehrere Familienmitglieder gleichzeitig redeten, werde es oft kompliziert für die Pastorin oder den Pastor am anderen Ende der Leitung. Durch regelmäßige Fallbesprechungen mit Kolleginnen und Kollegen habe Stührmann viele Einblicke in die sich verändernde Trauerkultur in den Gemeinden gewinnen können. Für die Pastorinnen und Pastoren sei es selbst sehr belastend, viele Wünsche der Angehörigen wegen der Corona-Einschränkungen nicht erfüllen zu können.
Unsicherheit beim Kondolieren
Als während des ersten Lockdowns die Zahl der Trauergäste auf zehn beschränkt wurde, litten viele Angehörige darunter, eine Auswahl der Trauergäste treffen zu müssen. Gerade in ländlichen Gegenden sei dies eine gravierende Einschränkung, weil es hier noch üblich sei, durch den Besuch der Trauerfeier die Leistung des Verstorbenen für das Dorfleben zu würdigen. Ebenso entfielen Hausbesuche bei der Witwe oder dem Witwer. "Die Einsamkeit und Beziehungslosigkeit ist auf allen Ebenen spürbar", so der Pastoralpsychologe.
Andererseits gebe es auch Familien, die froh sind, dass sie nicht mit dem halben Dorf rechnen müssen, sondern im engsten Kreis bleiben können. "Dadurch kann es sehr dichte und persönliche Trauerfeiern geben." Zugleich bestehe bei vielen Trauergästen derzeit eine tiefe Unsicherheit, weil sie nicht wüssten, wie sie am Grab mit Abstand und ohne Berührung kondolieren können. "Manche Trauerfamilie bleibt dann einfach einsam stehen", so Stührmann. Derartigen Situationen könnten Seelsorger vorbeugen, indem sie Möglichkeiten thematisierten, den Hinterbliebenen auch unter Corona-Bedingungen ihr Mitgefühl auszusprechen.
Selbst der Wegfall des oft belächelten gemeinsamen Kaffeetrinkens im Anschluss an die Beerdigung sei keine Kleinigkeit: "Das Gesellige und die Gespräche erleichtern den Übergang ins normale Leben ohne die Verstorbenen." Die vielen widrigen Umstände - angefangen von den Kontaktbeschränkungen im Krankenhaus oder Pflegeheim bis hin zu Freunden oder Angehörigen, die nicht zur Trauerfeier kommen dürfen - fasst der Seelsorger so zusammen: "Es ist ein Abschied ohne Abschied."