Dieses Weihnachten wird anders. Darin sind sich Heike Springhart, Anna-Manon Schimmel und Tobias Habicht einig. Statt wie in anderen Jahren schon im Advent atemlos von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier zu eilen, gilt es für die Pfarrerinnen und den Pfarrer Hygienekonzepte und Online-Gottesdienste vorzubereiten. "Das ist ein innerer Stress", sagt Pfarrerin Anna-Manon Schimmel von der Emmausgemeinde in Neuried bei Lahr dem Evangelischen Pressedienst.
Die Gemeindepfarrerin ist zuständig für drei Dörfer. Normalerweise gibt es an Heiligabend in jedem Dorf einen Gottesdienst. Das soll auch im Coronajahr 2020 so bleiben. Allerdings habe sie sich dazu entschieden, die Gottesdienste alle draußen stattfinden zu lassen, so Schimmel.
"Das macht Bauchschmerzen"
Nun gelte es, einen Parkplatz, eine Wiese, den Rathausvorplatz zu bestuhlen, ein Hygienekonzept zu erstellen und die Registrierung der Gottesdienstbesucher durch Ordner sicher zu stellen. "Das macht Bauchschmerzen, " sagt die Pfarrerin, "wir wissen ja nicht, ob wir die Erwartungen dieses Jahr erfüllen können." Auch sei nicht sicher, ob die Gottesdienste wie geplant stattfinden dürften.
In der badischen Landeskirche soll ab einer Inzidenz von 200 Fällen je 100.000 Einwohner gezielt zu digitalen Gottesdienstformaten eingeladen werden. Ab einer Inzidenz von 300 oder mehr Fällen dürfen keine Präsenzgottesdienste stattfinden, auch nicht im Freien.
Gerade dieses mehrgleisige Planen verursache Stress, sagt Pfarrer Tobias Habicht von der evangelischen Kirchengemeinde in Oftersheim (Rhein-Neckar-Kreis). Für ihre Familiengottesdienste an Heilig Abend vergibt die Gemeinde Platzkarten über ein Ticketsystem, die ökumenische Andacht im Gemeindepark dürfen maximal 200 Menschen besuchen und die Christmette um 22 Uhr schließt die Kirchentür bei 56 Personen.
Organisation "immenser Kraftakt"
"Das Hygieneschutzkonzept ist ein immenser Kraftakt," betont der Gemeindepfarrer. Um niemanden zu gefährden, hat er schon seit Beginn der Pandemie Seelsorgegespräche ins Freie verlegt. Aber bei Trauergesprächen mit Mund-Nasenschutz, ohne mitfühlende Geste oder Berührung, fehle etwas. "Es bleibt ein fragiler Frieden", stellt Tobias Habicht fest.
Als Herausforderung an die Kreativität der Geistlichen sieht Pfarrerin Heike Springhart die Kontaktbeschränkungen. Ihre Johannesgemeinde liegt im "Top-Hotspot" Pforzheim, wo es besonders viele Coronainfektionen gibt. Den geplanten, mobilen Gottesdienst - mit Bollerwagen, Musik und dem Friedenslicht - musste sie absagen. Sie hat für Heilig Abend und die Feiertage einen 18-minütigen Videogottesdienst produziert.
An Ideen mangelt es der Pfarrerin in Pforzheim nicht. Menschen, von denen bekannt ist, dass sie allein sind, sollen das Friedenslicht nach Hause gebracht bekommen. "Fürchte dich nicht" will sie an vielen Stelen auf die Straßen mit Sprühkreide schreiben - zusammen mit den Konfirmanden.
Vernunft versus Sehnsucht
Springhart spricht von einer "Zerreißprobe" - der Vernunft, sich nicht zu versammeln, auf der einen Seite und der Sehnsucht nach Trost und Zuspruch auf der anderen. Gerade das Kernklientel der Kirche erreiche man mit Online-Gottesdiensten nicht. "Viele Ältere zehren gerade an Weihnachten davon, dass alles ist wie immer."
Belastender als die Vorbereitung des Weihnachtsgottesdienstes in der Pandemie sei für sie der Vorwurf, dass die Kirche sich in dieser schwierigen Zeit zurückziehe. "Die Kirche schweigt nicht," ist die Botschaft, die Heike Springhart Weihnachten 2020 ihrer Gemeinde mitteilen möchte. Vielleicht hat die Pfarrerin deshalb für alle Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie für alle ihre Mitarbeiter eigenhändig Weihnachtskarten geschrieben.#