Das Bremer Amtsgericht hat den Pastor der landeskirchlichen St.-Martini-Gemeinde in der Hansestadt, Olaf Latzel, wegen Volksverhetzung verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Ellen Best sagte, der 53-jährige evangelische Theologe habe in einem auf Youtube verbreiteten "Eheseminar" zum Hass gegen Homosexuelle angestachelt. Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und will Rechtsmittel einlegen. Die Kirchenleitung prüft Konsequenzen aus dem Urteil. (AZ: 96 Ds 225 Js 26577/20)
Mit ihrer Entscheidung blieb Richterin Best am untersten Ende des gesetzlichen Rahmens, der für Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vorsieht. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Monate verlangt. Mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, wäre Latzel nicht vorbestraft.
"Homolobby" und "Genderdreck"
Der streng konservative Pastor hatte sich im Oktober 2019 in einer "biblischen Fahrschule zur Ehe" vor 30 Paaren geäußert. Eine Aufnahme davon wurde im März mit seiner Einwilligung auf seinem Youtube-Kanal mit knapp 25.000 Abonnenten online gestellt. Damit sei sie weit verbreitet worden, sagte Richterin Best.
Im Verlauf des Seminars sagte Latzel unter anderem, Homosexualität sei eine "Degenerationsform von Gesellschaft". Er warnte vor einer "Homolobby": "Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch." Das verunsichere Leute, zerstöre Zivilisation und Kultur. Homosexualität sei vor Gott todeswürdig und ein Gräuel.
Gefährliche Stimmungsmache
Die Äußerungen fielen aus Sicht des Gerichts nicht im Eifer des Gefechts. Sie seien Stimmungsmache und könnten emotional Gewalt gegen Homosexuelle begründen. Auch der Argumentation der Verteidigung, Latzel verurteile aus biblischer Sicht Homosexualität, aber nicht Homosexuelle, folgte Best nicht: "Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen macht einen Teil seiner Persönlichkeit aus." Daran ändere auch der Hinweis auf die Bibel nichts.
Mit Blick auf die zunehmende Zahl von Hassangriffen nicht zuletzt im Internet betonte die Richterin, wenn Dürre herrsche, dürfe kein Streichholz gezündet werden. Was die öffentliche Kommunikation angehe, so herrsche "große Trockenheit". An Latzel gewandt sagte die Richterin, es bleibe zu hoffen, dass der Pastor sein großes Redetalent künftig anders einsetze.
Disziplinarverfahren eingeleitet
Latzels Verteidiger Sascha Böttner bezeichnete das Urteil als "Katastrophe" und als "Einfallstor zur Beschränkung der Meinungsfreiheit": "Heute geht es um eine christliche Meinung, die in der Bibel steht, morgen um andere Sachen." Böttner kritisierte insbesondere, das Gericht habe niemanden aus dem Eheseminar als Zeugen geladen. Die Verteidigung werde prüfen, ob Berufung oder Revision eingelegt werde. Für die Staatsanwaltschaft sagte ihr Sprecher Frank Passade dem Evangelischen Pressedienst, sie werde "gründlich überlegen", ob sie Rechtsmittel einlege. Dafür sei nun eine Woche Zeit.
Für die Bremische Evangelische Kirche sagte ihr leitender Theologe Bernd Kuschnerus, er sei "zutiefst betroffen, dass ein Pastor unserer Kirche wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist". Die Äußerungen, die dem Urteil zugrunde lägen, seien nicht hinnehmbar und schadeten dem Ansehen der Kirche. Die Kirchenleitung werde jetzt über die nötigen Konsequenzen beraten. Die Kirche hat ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor eingeleitet, das aber bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt ist.
Aufgrund des großen öffentlichen Interesses und um die Corona-Abstände einhalten zu können, wurde die Gerichtsverhandlung in das Bremer Konzerthaus "Die Glocke" verlegt. Vor dem Gebäude protestierten schon am frühen Morgen Gegner und Befürworter des Pastors.