Ein süßlicher Gestank liegt über den grauen Hügeln aus Müll. Nur wenige Kilometer vom exklusiven Stadtteil Polana entfernt erheben sie sich entlang der Ausfallstraße in Hulene in der mosambikanischen Hauptstadt Maputo. An mehreren Stellen ist die gut 20 Hektar große Müllkippe eingesunken. Erst vor zwei Jahren kamen hier 16 Menschen ums Leben, als schwere Regenfälle die Deponie aufweichten und Mülllawinen abgingen.
Trotz der Gefahren: Hier arbeiten Kinder, wie schon vom Eingang aus zu erkennen ist. Wie viele es sind, weiß auch Gustavo Guambe nicht, der Chef der Deponie. Aber seit Beginn der Corona-Pandemie seien es mehr geworden, sagt er. "Catadores" heißen die Müllsammlerinnen und -sammler. Insgesamt sind es Hunderte, die bei Tag und Nacht die stinkenden Berge erklimmen und nach Plastik suchen, nach Metallschrott oder Handyplatinen - nach allem, was irgendwie verkäuflich scheint. Bis zu 1200 Tonnen Nachschub an Müll werden laut Guambe täglich angeliefert.
Schwer zu ertragendes Umfeld
Wie viel sich mit dem Müllsammeln verdienen lässt, hänge ganz vom Erfolg ab, sagt er. Oft aber seien die Beträge pro Kilo kaum mehr in Eurocent abzubilden. Ein 50-Kilo-Ballen Plastikmüll bringe beim chinesischen Einkäufer 150 Meticais, etwas mehr als zwei Euro, aber das Netz um den Ballen selbst koste auch schon zehn Meticais, beschwert sich Lidia Madussi. Acht Kinder habe sie auf der Kippe großgezogen, sagt die 56-Jährige, aber "es wird immer schwerer, vom Müllsammeln zu überleben".
Es sei ein für Außenstehende schwer zu ertragendes Umfeld, "in dem Kinder seelischen und körperlichen Schaden nehmen können", sagt Carolina Matavele, Koordinatorin der mosambikanischen Kinderhilfsorganisation "Renascer Omac". Haut- und Augenkrankheiten seien verbreitet, Durchfälle, Tuberkulose und auch HIV. Die Lebenserwartung rund um die Kippe sei niedriger als in anderen Stadtteilen, bestätigt Filimão Mungoi, der zuständige Beamte vom Sozialamt, etwas über 40 vielleicht, genau weiß er es nicht.
350 Jugendliche lernen ein Handwerk
"Renascer Omac" lässt seit mehr als 20 Jahren in Hulene und dem benachbarten Laulane Kindern aus besonders belasteten Familien Unterstützung zukommen: Essen, medizinische und psychosoziale Versorgung. Die Mädchen und Jungen, etwa 350 zwischen zehn und 17 Jahren, müssen dafür eine klare Bedingung erfüllen: Sie dürfen nicht auf der Deponie arbeiten. Und sie müssen bereit sein, ein Handwerk zu lernen. Körbe flechten, Metallbearbeitung, Kunsthandwerk - all das wird angeboten und zertifiziert, gilt allerdings derzeit noch nicht als offiziell anerkannte Berufsausbildung.
Finanziert werden die Maßnahmen von "Brot für die Welt". Seit 2016 sind einer Sprecherin des evangelischen Hilfswerks zufolge 890.000 Euro an Fördermitteln geflossen. Bis 2024 sollen außerdem 472.000 Euro dafür bereitgestellt werden, dass die "Renascer"-Kinder einen Beruf erlernen.
Armut ist das Hauptproblem
Vor der Berufsbildungs-Werkstatt von "Renascer" schwingt der 15-jährige Fabião Benjamin eine Flex-Maschine. Hier, nur 50 Meter vom Nordrand der Müllkippe entfernt, lernt er für eine Zukunft fernab des Müllsammelns. Sein Ausbilder Vicente Mahotas ist voll des Lobes. Die Metallarbeit soll für Fabião das Sprungbrett zu mehr Ausbildung werden. Sein Berufswunsch: "Polícia" - Polizist.
In Nicht-Corona-Zeiten bekommen die Förderkinder jeden Tag eine warme Mahlzeit. Zurzeit, erklärt Matavele, leite sie die Lebensmittelhilfe direkt an die Familien weiter. "Das ist wichtig für uns", sagt Fabiãos Mutter, Rita Orlando Shiruki. Die 37-Jährige hat vier Kinder zu versorgen, aber ihr Mann verdient als Wachmann umgerechnet nur rund 60 Euro im Monat. Davon kann keine Familie überleben, nicht einmal in Hulene.
Die extreme Armut ist ein Hauptgrund, warum Kinder jobben statt lernen, um ihren Familien über die Runden zu helfen - sei es als Müllsammler, Straßenverkäufer, auf Plantagen oder in Minen. In Mosambik hat das Arbeits- und Sozialministerium die Zahl der Kinderarbeiter zwischen fünf und 14 Jahren auf rund 1,2 Millionen geschätzt. Im Zuge der Corona-Pandemie und der damit wachsenden Not der Familien dürfte die Zahl gestiegen sein.