Kirchliche Friedhöfe könnten ihre Attraktivität laut einer Studie durch neue Nutzungs-, Vermarktungs- und Kooperationsmöglichkeiten erhöhen. Dazu gehöre, pflegeleichte und anonyme Bestattungen einzurichten, Friedhöfe für Erholungszwecke Park-ähnlich zu gestalten oder auf Friedhöfen kulturelle und gemeinschaftliche Angebote zu schaffen wie etwa Konzerte, Führungen, Ausstellungen oder Andachten, heißt es in einer Untersuchung der Universität Rostock zur Friedhofskultur in Norddeutschland.
Die 135-seitige Studie empfiehlt ferner, den Friedhof im Internet mit seinen Vorzügen und Angeboten zu präsentieren. Denkbar sei, dass Dorfvereine einen Friedhof betreiben und die Kirchengemeinde lediglich hoheitlich die Trägerschaft ausübt, informierte die Universität. Diesbezüglich gebe es bereits Erfahrungen in Mecklenburg. Vielerorts sei die sich anbietende Kooperation mit Dorf- und Geschichtsvereinen noch ausbaufähig. Einige Friedhöfe hätten gute Erfahrungen damit gemacht, alte Grabsteine nicht einfach abzuräumen, sondern sie als sogenannte Lapidarien in die Friedhofsgestaltung einzubeziehen.
Empirische Untersuchungen an zwölf Friedhöfen
"Friedhöfe sind empfindliche Seismographen für den kulturellen Umgang mit dem Tod. Ein achtsam gepflegter Friedhof ist Ausdruck für die Achtung des Lebens", sagte Theologieprofessor Thomas Klie. Er hatte gemeinsam mit drei weiteren Forschern die Studie erstellt. Ziel war, innovative Ideen für zukunftsträchtige Friedhöfe zu entwickeln, zu evaluieren und exemplarisch umzusetzen. Denn immer größere Freiflächen, Attraktivitätsdefizite und daraus folgende Finanzierungsprobleme setzten Friedhöfe unter Druck, hieß es.
Die Rostocker Forscher untersuchten für die Studie von September 2019 bis August 2020 exemplarisch zwölf ausgewählte Friedhöfe empirisch, loteten Entwicklungspotenziale aus und erprobten sie. Im Zentrum des Interesses standen kirchliche Friedhöfe. In der evangelischen Nordkirche (Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) gibt es 1.467 Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft.
Ein Musterbeispiel für Zwang
"Weil Friedhofspflicht besteht, empfinden es viele als Zwang und suchen Auswege, sprich: Sie suchen die letzte Ruhestätte für ihre Lieben im Friedwald oder in der Ostsee, die mit dem Friedhof assoziiert werden", sagte Professor Klie. Das führe bis zu halb-illegalen Aktionen, bei denen die Asche der Verstorbenen über einen Umweg über andere Länder an Hinterbliebene privat ausgehändigt werde.
Professor Klie verwies zudem darauf, dass Deutschland das einzige Land in Europa sei, das Bestattungs-und Friedhofszwang hat. Sowohl Friedhofs- als auch Bestattungspflicht seien bis heute in den Ländergesetzen nahezu wörtlich dem Reichsfeuerbestattungsgesetz von 1934 entnommen. "Der Friedhof mit seinen Vorschriften ist ein Musterbeispiel für Zwang."
"Friedhöfe sind als Trauerorte ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses eines Ortes", hob Thomas Klie hervor. Das Ensemble der Gräber erzähle immer auch Stadt- bzw. Dorfgeschichte. So mischten sich auf Friedhöfen Privates und Öffentliches, individuelle Grabstellen und öffentlicher Raum. Zugleich bildeten Friedhöfe immer noch das Zentrum eines Ortes, vor allem auf den Dörfern.
Die Studie liegt in gedruckter Form vor und kann über die Theologische Fakultät Rostock bezogen werden. Finanziert wurde das Projekt durch Gelder der Nordkirche, der mecklenburgischen Stiftung "Kirche mit Anderen", der "Stiftung Deutsche Bestattungskultur" sowie von Kirchenkreisen und Gemeinden.