Anne Messner, die Leiterin der „Oase am Weg“ am Friedhof Korntal
©epd-bild/Judith Kubitscheck
Anne Messner, die Leiterin der „Oase am Weg“ am Friedhof Korntal, möchte mit Trauernden ins Gespräch kommen. Eine Gruppe beweglicher Skulpturen kann dazu anregen.
Persönliche Begleitung am Grab
Ein Raum der Stille, Gespräche und eine Skulpturengruppe - auf kreative Weise bietet ein ehrenamtliches Team Menschen dort Trauerbegleitung an, wo es am naheliegendsten ist - auf dem Friedhof.
21.11.2020
epd
Judith Kubitscheck

Es ist ein kleines Häuschen am Eingang des Korntaler Friedhofes: Die "Oase am Weg". Sie möchte ein niederschwelliger Begegnungsort für Trauernde sein und ist in dieser Konzeption wohl einmalig. Seit 2014 besteht die "Oase", die von der Straße, aber auch vom Friedhof aus besucht werden kann. In der sanierten, ehemaligen Aussegnungshalle der Evangelischen Brüdergemeinde befindet sich nun ein heller Raum mit einer Sitzgruppe für Gespräche und auch ein "Raum der Stille" mit einem bunten Glasfenster. "Hier sind schon einige Tränen geflossen", erzählt die Leiterin der "Oase", Schwester Anne Messner. Zum Beispiel habe sie dort gemeinsam mit Kindern, die ihren Vater verloren haben, ein Erinnerungsbuch gestaltet.

Die „Oase am Weg“ am Friedhof Korntal steht allen Trauernden offen.

Auch eine Leihbibliothek befindet sich in der "Oase" - mit Fachliteratur rund ums Thema Trauer und Tod. Bilderbücher für trauernde Kinder können hier ebenfalls ausgeliehen werden. Am Eingang des Friedhofes hängen kleine Boxen mit Trost - und Segensworten zum Mitnehmen. Die "Oase" wolle direkt dort sein, wo Hinterbliebene um ihre Angehörigen trauern - für alle, die gerne reden wollen, erklärt die ausgebildete Trauerbegleiterin, die gemeinsam mit sieben bis acht ehrenamtlichen "Wegbegleiterinnen" jeweils von Mittwoch bis Samstag zwei Stunden vor Ort ist.

Viel Einfühlung erforderlich

Manche Menschen kommen zu Erzählcafés, Trostkonzerten, Autorenlesungen oder persönlichen Gesprächen gezielt in die "Oase" - aber häufig ergeben sich die besten Gespräche draußen, direkt am Grab oder an dem Wasserhahn, wo Angehörige ihre Gießkanne füllen, berichtet Messner.

Im Gespräch mit Trauernden müsse man sehr einfühlsam und behutsam sein, denn: "Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg mit Trauer umzugehen." Manche ziehen sich zurück, andere begegnen der Trauer durch Aktivismus. Anne Messner kennt Trauer auch aus ihrem eigenen Leben: Ihre kleine Schwester starb, als sie gerade 12 Jahre alt war, wenig später starb ihre Mutter an einem Gehirntumor und bald auch ihr Vater. "Bereits als junger Mensch habe ich mitbekommen, dass alles vergänglich ist und das Leben sich von jetzt auf gleich völlig verändern kann", erzählt sie.

Begegnungsort mit Skulpturen

Nach jahrelanger Leitung der Jugendhilfe der Diakonie Korntal gründete die Sozialpädagogin mit 60 Jahren die "Helpline", eine Beratungsstelle, die Ehrenamtliche vermittelte und half, Probleme aller Art zu lösen. Als sie nach sieben Jahren "Helpline" die Idee für einen Begegnungsort für Menschen in Trauer bekam, hatte sie schnell den Eindruck, dass diese Idee wie von Gott gefügt war, berichtet die nun 69-Jährige. "Ich hatte wirklich nicht mehr vor, ein neues Projekt zu starten", sagt Messner mit einem herzhaften Lachen. Doch als die Lotte von Süßkind Stiftung sich des Projektes annahm, war klar: Sie möchte diese "Oase" eröffnen.

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Und seit einem Jahr ist direkt vor der "Oase" ein neuer Ort hinzugekommen: Eine Skulpturengruppe speziell für Menschen, die kein Grab oder anderen Platz für ihre Trauer haben, wie Flüchtlinge, oder Eltern, die eine Fehlgeburt hinter sich haben. Die drei beweglichen Figuren aus Harzbronze des Stuttgarter Künstlers Manfred Kalscheuers laden dazu ein, die eigene Trauersituation nachzustellen. Oft entstünden dadurch gute Gespräche. So hätte ein ehemaliges Kinderheimkind die beiden großen Figuren so gedreht, dass sie der kleinen Figur den Rücken zuwandten und gesagt: "So ging es mir, ich bin abgeschoben worden", erzählt die Sozialpädagogin.

Neben der Skulpturengruppe liegen Steine in der Schale, die beschriftet werden können. Ein Stein erinnert an ein totgeborenes Kind, in Kinderschrift steht auf einem Stein "Ich vermisse meinen Opa". Eine Sitzgruppe vor den Skulpturen lädt zum Verweilen ein. "Trauer ist ein Weg", so Messner. "Wenn ich ihn akzeptieren kann, ist er schon ein großes Stück bewältigt."