Hellenhahn-Schellenberg im Westerwald ist vermutlich einer von ganz wenigen Orten im Land, in dem die Corona-Krise in den vergangenen Wochen nicht das allein bestimmende Thema war. Stattdessen stritten die Einwohner der 1.300-Seelen-Gemeinde leidenschaftlich über 20 Schautafeln, die in Dorfnähe aufgestellt werden sollten. Schließlich kippte ein Bürgerentscheid den bereits beschlossenen Aufbau eines Lehrpfades zur Evolutionsgeschichte, hinter dem die kirchenkritische Giordano-Bruno-Stiftung steht. Zurück bleibt eine zutiefst gespaltene Gemeinde.
Das mehrheitlich katholische Dorf im Norden von Rheinland-Pfalz ist spätestens seit einem Beitrag der NDR-Satiresendung "extra 3" auch überregional bekannt. "Eine Idylle, entstanden aus Gottes Hand", frotzelt ein Sprecher über Hellenhahn-Schellenberg. Die Sendung erweckt den Eindruck, ultrafromme Hinterwäldler würden sich im Westerwald gegen die Wissenschaft stemmen.
Ortsbürgermeisterin Birgit Schmidt ist der Ärger über die vielen Anfeindungen noch immer anzumerken. Die Macher des Evolutionswegs habe sie zufällig an einem Info-Stand kennengelernt, berichtet sie. Die Grafiken hätten ihr gut gefallen, und so sei ihr die Idee gekommen, den Weg in der Nähe des Dorfes aufzubauen - als außerschulischen Lernort und vielleicht auch, um Touristen anzulocken. 4.600 Euro hätte die Installation gekostet. "Da habe ich noch überhaupt nicht geahnt, was auf mich zukommt", sagt sie seufzend.
Inzwischen würden selbst die Familien der Gemeinderats-Mitglieder von den Evolutionsweg-Gegnern nicht mehr gegrüßt. Ihr selbst sei ins Gesicht gesagt worden, mit ihrem "dämonischen atheistischen Auftreten" habe sie das Coronavirus ins Dorf gebracht. Für Schmidt steht fest: "All das, was hier los war, das war nicht christlich. Die Gegner sind zu weit gegangen." Den beiden Kirchen wirft die Bürgermeisterin vor, sie hätten es versäumt, die radikalen Gegner des Lehrpfads zur Mäßigung aufzurufen.
Feindselige E-Mails aus dem Pro-Evolutionsweg-Lager
Karl-Heinz Stinner klagt über feindselige E-Mails aus dem Pro-Evolutionsweg-Lager. Am Ausgang des Bürgerentscheids zeige sich gerade, wie "zurückgeblieben" die Einwohner des Dorfes seien, zitiert er aus einer wütenden Zuschrift. Sein "imaginärer Freund Gott" sei mit großer Wahrscheinlichkeit "Hokuspokus", lässt ihn die Verfasserin wissen. Der 76-Jährige war einer der drei Einwohner, die den Bürgerentscheid initiiert hatten. "Wir sind ein christliches Dorf", sagt er - und fügt hinzu, dass sich die Gegner letztlich aber nicht an der Darstellung der Evolution gestört hätten, sondern an der Giordano-Bruno-Stiftung.
Der Glaube an Gottes Schöpfung und die Evolutionslehre seien für die evangelische Kirche kein Widerspruch, erklärt Pfarrer Axel Elsenbast. Aufgrund des gewählten Projektpartners könne er das Vorhaben jedoch nicht unterstützen.
Problem mit der Giordano-Bruno-Stiftung
Oliver Koch, Weltanschauungsbeauftragter der beiden evangelischen Landeskirchen in Hessen, erinnert an provokante Aktionen der Stiftung wie die Buskampagne "Gottlos glücklich" und die Verspottung von Ostern als "Hasenfest". "Natürlich haben wir ein Problem, wenn die Giordano-Bruno-Stiftung krawall-atheistisch auftritt", sagt er. Die Stiftung vertrete nur eine sehr kleine Zahl von Mitgliedern und Anhängern. Keineswegs spreche sie für alle säkular eingestellten Menschen. Mit anderen säkularen Verbänden seien auch konstruktive Debatten möglich, die den Kirchen letztlich guttäten.
Der im Westerwald gekippte "Evolutionsweg" wurde in fünf anderen Orten bereits aufgebaut, finanziert jeweils mit privaten Spenden. Im brandenburgischen Templin kam ein Vertreter der Satire-Religion "Kirche des fliegenden Spaghettimonsters" zur Einweihungsfeier. Probleme wie im Westerwald habe es nirgendwo gegeben, sagt Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung: "Der Weg ist weltanschaulich neutral und wissenschaftlich korrekt." Den Vorwurf, die Stiftung stehe für einen radikalen Atheismus, weist er zurück. Im Westerwald wäre zudem nicht einmal ihr Logo auf den Tafeln zu sehen gewesen.
Inzwischen gibt es Angebote, Hellenhahn-Schellenberg die Tafeln und deren Aufbau zu schenken. Doch auf politischer Ebene ist das Thema für Bürgermeisterin Schmidt abgehakt: "Wenn die Gemeinde nicht bereit ist, dann ist es eben so." Allenfalls noch als Privatinitiative sei der Evolutionsweg denkbar - falls sich jemand finde, der die Tafeln im eigenen Garten zeigen wolle.