Sie sind Christin und Naturwissenschaftlerin. Sind Sie damit etwas Besonderes?
Barbara Drossel: Der Glaube ist für mich die Lebensgrundlage. Ich bin über die Sinn-Frage zum Glauben gekommen, dass es da jemanden gibt, der mich trägt, der mich begleitet und der mir Hoffnung gibt. Ich vertraue auf Gott, der bei mir ist und mich leitet; mir Kraft gibt. Da geht zum Beispiel eine Ehe leichter, und vieles andere auch. Auch die christliche Gemeinschaft ist mir viel wert.
Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe von Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern, die glauben. Natürlich gibt es Menschen, die zwar Naturwissenschaftler sind und glauben, aber sonst nicht besonders aktiv auf diesem Gebiet sind. Und es gibt die, die ein Interesse daran haben, sich zu vernetzen und auszutauschen. Ich bin Mitglied bei Christians in Science und der Karl-Heim-Gesellschaft, wo ich mich mit Leuten über Naturwissenschaft und Glaube austauschen kann. Ich brauche diesen Austausch einfach.
Was gibt Ihnen den Antrieb, hier aktiv zu sein?
Drossel: Das kommt tatsächlich viel von außen. Ich wurde immer wieder gefragt, ob ich einen Vortrag zur Beziehung von Glauben und Naturwissenschaft halten kann. Dann wurde ich auch gefragt, ob ich etwas dazu aufgeschrieben habe. Und dann habe ich das erste Buch geschrieben. Es entstand aus Vorträgen von mir und ist sozusagen eine ausführlichere Version dieser Vorträge.
"Naturwissenschaft und Glaube betreffen völlig verschiedene Arten von Erklärungen"
Außerdem möchte ich, dass wir als Christinnen und Christen glaubwürdig sind. Durch den Kreationismus machen wir uns aber unglaubwürdig. Von daher ist es mir auch ein Anliegen, gegen den Kreationismus vorzugehen. Und ich sehe auch, dass durch populärwissenschaftliche Sendungen und Bücher der Eindruck vermittelt wird, die Wissenschaft habe Gott widerlegt. Und das möchte ich so auch nicht stehen lassen.
Warum sind Naturwissenschaft und Glaube für Sie eben keine Gegensätze, wie der Untertitel Ihres 2013 erschienen Buches "Und Augustinus vertraute dem Verstand" verrät?
Drossel: Naturwissenschaft und Glaube betreffen völlig verschiedene Arten von Erklärungen. Bei der Naturwissenschaft geht es darum, innerweltliche Vorgänge zu verstehen sowie die Regelmäßigkeiten und mathematischen Prinzipien, nach denen sie ablaufen.
Beim Glauben geht es um die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach Gott oder nach der Ewigkeit. Das sind ganz andere Fragen, für die die Naturwissenschaft nicht zuständig ist. Naturwissenschaft und Glaube sind also zwei Welten, die beide wichtig für uns sind. Spannend ist natürlich die Frage, in welcher Beziehung sie zueinanderstehen.
"Es gibt eine Menge Schnittstellen"
Sie sehen Naturwissenschaft und Glaube also als zwei Welten, die grundsätzlich miteinander zu vereinbaren sind. Bilden diese Welten denn auch Schnittmengen?
Drossel: In der Naturwissenschaft gibt es viele offen Fragen, die über sie selbst hinausgehen. Die Frage, warum es Naturgesetze gibt, ist zum Beispiel keine Frage, die in der Naturwissenschaft selbst zu beantworten ist. Hier könnte man antworten: Gott wollte es so. Er wollte eine Welt, in der wir Menschen verantwortlich handeln können. Die Welt muss nach Gesetzen operieren, damit wir die Folgen unseres Handelns abschätzen können. Auch die Frage, warum unser Gehirn die Naturgesetze verstehen kann, ist eine Frage, die über die Naturwissenschaft hinausgeht. Im Anschluss an Johannes Kepler kann man antworten: Gott wollte, dass wir die Schöpfung ein Stück weit verstehen, weil er uns als sein Ebenbild geschaffen hat.
Man hat festgestellt, dass das Universum nicht funktionieren würde, wenn die Naturgesetze nur ein kleines Bisschen anders wären. Dann gäbe es nicht die Vielfalt von chemischen Elementen und das Universum würde vielleicht auch nicht lange genug bestehen, dass überhaupt etwas Interessantes drin passieren könnte. Warum sind die Naturgesetze und -konstanten also genau so, dass Leben möglich ist? Ich finde hier neben anderen weltanschaulichen Antworten, die man geben kann, die Antwort aus dem christlichen Glauben sehr plausibel: Gott wollte es so, weil er Leben auf der Erde wollte.
Ein anderes Beispiel: Die Physik weiß nichts von Bewusstsein und kann das auch nicht erklären. Aber wir haben ein Bewusstsein, mit dem wir wahrnehmen, entscheiden und handeln. Hier befinden wir uns wieder an einer Grenze der Naturwissenschaft. Damit sind wir auch bei der Frage nach Gott als eine ewig existierende geistige Realität, die der Ursprung von allem anderen ist. Glaube und Naturwissenschaft werfen sich also immer wieder gegenseitig die Bälle zu. Da gibt es eine Menge Schnittstellen.
"Gott lässt uns das alles erkennen"
Offenbar sind Sie auch mit Menschen konfrontiert, die einen krassen Widerspruch sehen zwischen Glauben und Naturwissenschaft. Wie begegnen Sie dieser Kritik?
Drossel: Kritik gibt es von beiden Seiten, sowohl von christlich-fundamentalistischer als auch von atheistisch-naturalistischer Seite. Es gibt Christinnen und Christen, die eine wortwörtliche Auslegung des Schöpfungsberichtes vertreten. Für sie ist der biblische Schöpfungsbericht nicht vereinbar mit der Annahme, dass die Welt Milliarden von Jahre alt ist oder dass Menschen und Tiere gemeinsame Vorfahren haben.
Da muss man über das Bibelverständnis diskutieren. Der biblische Schöpfungsbericht will kein wissenschaftlicher Bericht sein, und die Tagesstruktur ist auch nicht wörtlich zu nehmen. Gott lügt uns nicht an! Wenn er so viele Indizien in die Welt eingebaut hat, dafür dass die Welt sehr alt ist, dass es lange vor dem Menschen Tiere gab, die inzwischen gestorben sind, und dass alles Leben einen gemeinsamen Stammbaum hat, dann kann er doch nicht verlangen, dass wir davor die Augen verschließen. Er lässt uns das alles erkennen und dem dürfen wir uns stellen.
Dann gibt es noch Menschen, die sagen, Naturwissenschaft widerlege den Glauben an Gott. Und weil es eine wissenschaftliche Erklärung für die Geschichte des Lebens gebe, brauchen sie Gott als Schöpfer nicht. Ich denke aber, dass das keine Wissenschaft ist, sondern eine weltanschauliche Interpretation. Naturwissenschaft beschreibt lediglich mathematische Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten. Was dahinter steht, ob die Gesetze aus sich selbst heraus die Welt am Laufen erhalten oder ob die Gesetze von jemand anderem aufrechterhalten werden, das ist eine weltanschauliche Interpretation.