Vom 7. bis 9. November diskutiert die evangelische Kirche auf ihrer Jahrestagung jetzt erneut über die Zukunft.
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Die Zukunft der Evangelischen Kirche ist in vielen Punkten ungewiss und verlangt nach Entscheidungen. Vom 7. bis 9. November diskutiert die evangelische Kirche auf ihrer Jahrestagung jetzt erneut über die Zukunftsstrategie.
Evangelische Kirche ringt um Zukunftsstrategie
Auf ihrer Jahrestagung beschäftigt sich die evangelische Kirche mit tiefgreifenden Struktur- und Finanzreformen. Die Kirche muss jetzt entscheiden, wo sie in Zukunft spart. Vor 15 Jahren stand sie schon einmal vor denselben Fragen.

Neue Gemeindeformen, Schwerpunktsetzung bei kirchlichen Aufgaben, mehr Bildungsarbeit, weniger Pfarrstellen - das sind einige Vorschläge zur Strukturreform der Kirche. Allerdings stammen sie nicht aus dem Jahr 2020, sondern aus dem Jahr 2006, als die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schon einmal über Reformen beriet. Vom 7. bis 9. November diskutiert die evangelische Kirche auf ihrer Jahrestagung jetzt erneut über die Zukunft, erstmals wegen der Corona-Pandemie in einem rein digitalen Format.

2006 sprach der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber davon, dass sich bei der Fortschreibung des Trends die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder bis 2030 auf 17 Millionen verringern und sich die Finanzkraft halbieren könnte. Was die Mitgliederzahl angeht, könnte die Prognose eintreffen. Im Jahr 2007 war noch etwa jeder dritte Deutsche Mitglied der evangelischen Kirche, 2019 war es nur noch etwa jeder vierte. Bis 2060 könnte die Mitgliederzahl nach einer Prognose Freiburger Forscher von heute knapp 20,7 Millionen auf 10,5 Millionen sinken.

Austritte, Eintritte, Taufen und Sterbefälle in der Evangelischen Kirche in Deutschland im Jahr 2019.

Was die Finanzkraft angeht, traf die Prognose aus Hubers Zeiten nicht ein. Dank guter Konjunktur stiegen die Kirchensteuereinnahmen ab dem Jahr 2010 sogar kontinuierlich. 2019 erreichten sie mit 5,9 Milliarden Euro allein für die 20 evangelischen Landeskirchen einen Rekord. Das wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich ändern - und damit steige jetzt auch der Druck auf die Kirche, sich zu reformieren, sagt der theologische Vizepräsident des EKD-Kirchenamts in Hannover, Thies Gundlach.

Denn die Herausforderungen sind dieselben wie 2006: demografische Umbrüche, finanzielle Einbußen durch Austritte, der anhaltende Trend zur Säkularisierung. 2006 begegnete man dem mit dem Positionspapier "Kirche der Freiheit". Damals war in dem Papier die Rede von zwölf "Leuchtfeuern". Heute gibt es die zwölf Leitsätze, die das höchste Beschlussgremium der EKD, die Synode, im November diskutieren soll. Die Leitsätze sind unter dem Titel "Kirche auf gutem Grund" zusammengefasst.

Durch die Corona-Pandemie nimmt der Reformbedarf noch zu. Schon jetzt zeichnet sich beispielsweise ab, dass die Landeskirchen durch die Kurzarbeit weniger Kirchensteuern einnehmen werden. Bundesweit rechnet man mit einem Rückgang von mindestens zehn Prozent. Zudem wurde während der Phase der strengen Kontaktbeschränkungen über den Bedeutungsverlust der Kirche in der Gesellschaft diskutiert. Deutlich wurde: Die Kirche steckt in einer Identitätskrise.

Mitten hinein in diese Diskussion veröffentlichte die EKD Ende Juni ihre Leitsätze. Die theologische Diskussion drehte sich vor allem um eine Passage, aus der die Kritiker das Ende der Ortsgemeinden herauslasen und eine Entwicklung hin zu einer NGO-Kirche beobachteten. Dem Wiener Theologen Ulrich Körtner fiel vor allem auf, dass Gott in dem Papier nicht vorkomme, sondern nur als "Chiffre" für ein ethisch-humanitäres Programm diene, das sich auch ganz säkular vertreten lasse.

Die Kritikpunkte in der Debatte im Jahr 2006 ähneln denen von heute: Der Vorwurf der Zentralisierung der EKD wurde ebenso genannt wie die befürchtete Marginalisierung der Ortsgemeinden. Die Synode nahm das Reformpapier "Kirche der Freiheit" 2006 zwar wohlwollend entgegen, doch vieles verlief im Sande. "In der Analyse der Herausforderungen ist 'Kirche der Freiheit' noch nicht überholt. Deswegen gibt es heute auch viele Parallelen", sagt Thies Gundlach. Doch das Verfahren sei heute ein ganz anderes. Viel inklusiver, man setze auf eine breite Beteiligung. Nach der anfänglichen Kritik ging das Vorbereitungsgremium, das sogenannte Z(unkunfts)-Team, noch mal in die Textarbeit und wird im November eine überarbeitete Version der Leitsätze vorlegen.

Kirchenkonferenz, Synode, Rat der EKD - wer gehört eigentlich welchem Entscheidungsgremium in der Evangelischen Kirche in Deutschland an? Und wer wählt diese Gremien, wer ist drin und was machen sie eigentlich so ganz genau? Hier gibt's Antworten auf diese Fragen.

Damals wie heute haben die Reformpapiere der EKD kaum Verbindlichkeit, Beschlüsse können nur in den einzelnen Landeskirchen umgesetzt werden. Die haben zum Teil auch schon ihre eigenen Reformprozesse eingeleitet. "Die Instrumente der gemeinsamen Steuerung sind eher schwach ausgeprägt", sagt der Theologe Gundlach. "Deswegen müssen wir überzeugen und können Impulse geben. Am Ende brauchen wir den Konsens und die Mitverantwortung aller Beteiligten."