Kirchengemeinden bitten Sie häufig um Rat, wenn es darum geht, eine Homepage aufzubauen. Was erleben Sie da so?
Frank Neumann-Staude: Ich habe es vielfach in den Kirchengemeinden so erlebt, dass es derjenige machen "muss", der nicht schnell genug schreit, dass er davon keine Ahnung hat. Die Qualifikation besteht dann leider oft nur darin, dass der- oder diejenige vielleicht einen Sohn oder eine Tochter hat, der oder die sowas ähnliches – aber eigentlich etwas ganz Anderes – schon mal gemacht hat. Und Schwupps hat man den Job. Oder es sind die Leute, die es hobbymäßig machen.
Hat sich daran in den vergangenen Monaten wegen Corona etwas verändert?
Neumann-Staude: Die große Veränderung kam nicht mit Corona, sondern schon vorher durch die DSGVO beziehungsweise die DSG-EKD, die für den evangelischen Bereich gilt. Da meinten dann nämlich viele dieser Menschen, denen der Job mehr oder weniger "aufs Auge gedrückt" worden ist: "Och nee, das ist mir doch alles zu kompliziert." Und ich kann den anfänglichen Gedanken verstehen, wenn man sich aber ein wenig damit beschäftigt, merkt man: Im Großen und Ganzen werden an fast alle Internetpräsenzen der Kirchengemeinden die gleichen Anforderungen gestellt. Man könnte also einfach auf der Ebene der Landeskirche sagen: "Hier seht ihr eine Muster-Internetseite, mit der ihr eure vergleichen könnt. Wenn eure Seite genauso ist – herzlichen Glückwunsch, hier könnt ihr euch das passende Impressum herunterladen, bei dem ihr nur noch eure eigene Adresse eintragen müsst. Ich bin der Ansicht, dass es die Aufgabe der Landeskirchen ist, ihre Gemeinden da zu unterstützen. Und da sollte meiner Meinung nach ein viel größerer Dienstleistungsgedanke herrschen. Denn ich bin davon überzeugt, dass man dann da relativ viel bewegen könnte. Ich will gar nicht behaupten, dass es diesen Gedanken bisher gar nicht gibt, aber ich bemerke einfach, dass er an sehr vielen Stellen noch ausbaufähig ist oder aber, dass es noch bekannter gemacht werden muss, dass es da Angebote gibt.
"Natürlich wäre es toll, wenn jede Gemeinde einen eigenen Programmierer hätte"
Die Digitalisierung gilt auch in der Kirche als große Herausforderung. Auf welchen Ebenen müsste man Ihrer Ansicht nach mehr technisches Knowhow in Form von Informatikern und Programmieren etablieren?
Neumann-Staude: Natürlich wäre es toll, wenn jede Gemeinde einen eigenen Programmierer hätte. Oder zumindest jeder Kirchenkreis. Das ist aber nicht realistisch. Schon gar nicht, wenn man daran denkt, wie stark in den kommenden Jahren gespart werden muss. Also muss man die ganze Sache neu denken. Und dann darf man auch fragen, ob es überhaupt Sinn ergibt, dass zwingend jede Landeskirche zum Beispiel ihre eigene Infrastruktur an Informatikern und Programmierern aufbaut. Vielleicht sollte man eher interne Dienstleister in jedem Bundesland etablieren, die dezentral zusammenarbeiten und aus einem gemeinsamen Topf bezahlt werden.
Sie sprechen von einer Art Service-Organisation, die für alle Menschen in den Landeskirchen der EKD als technische Dienstleister fungiert.
Neumann-Staude: Prinzipiell ja. Von wo die dann das Geld bekommen und wie das kirchenintern abgerechnet wird, sollen sich die Experten überlegen, davon verstehe ich zu wenig. Mir geht es nur darum, den Dienstleistungsgedanken mehr ins Zentrum zu stellen. Und um die Frage: Warum entwickelt man nicht eine gemeinsame Einheit, die durch die Lande reist oder auch remote Beratungsveranstaltungen bis in die einzelne Gemeinde herunter anbietet?
Welche Fragen bewegen denn Kirchengemeinden im Moment beim Aufbau einer Homepage?
Neumann-Staude: Im Augenblick helfe ich ein paar Gemeinden, die bei der Evangelischen Kirche im Rheinland gerade auf das neue WordPress-Theme umsteigen. Da tauchen Fragen auf nach dem Impressum oder der Datenschutzerklärung: "Wo kriegen wir die denn her? Was nehmen wir denn da?" Da muss ich dann antworten: "Ich kann Ihnen dies oder jenes empfehlen, aber das ist meine persönliche Meinung. Wenn sie eine professionelle Beratung möchten, müssen Sie sich einen Rechtsanwalt suchen oder bei der Rechtsabteilung ihrer Landeskirche mal nachhaken."
Welche Fragen sollten sich Kirchengemeinden denn beim Aufbau Ihrer Web-Präsenz stellen?
Neumann-Staude: Ich rate jedem, sich zu Beginn dieses Prozesses folgende Fragen zu stellen: Was sucht jemand, der neu in das Gebiet der Kirchengemeinde gezogen ist? Und wie sucht er? Was hat er für Anliegen? Und die Antworten auf diese Fragen bildet die Kirchengemeinde dann im Idealfall auf ihrer Website ab. Denn die Mehrheit der Menschen, die auf die Kirchenseite geht, hat ein konkretes Anliegen: zum Beispiel will ein Mensch heiraten, er will sein Kind taufen lassen oder er will wissen, wann der nächste Gottesdienst stattfindet.
Kirchengemeinden sollten bei der Konzeption ihrer Homepage weniger von der Institution her denken. Denn es ergibt halt zum Beispiel nicht zwingend Sinn, eine Navigationsstruktur zu haben, die eine interne Hierarchie abbildet, die externe Menschen nicht kennen und die sie auch nicht interessiert. Da wäre es halt eher wie folgt gut: Punkt A) Unsere Veranstaltungen, Punkt B) Unsere Angebote, Punkt C) Was sie über uns sonst noch wissen sollten. Man muss die Menschen da abholen, wo sie sind.
"Holt die Seite die Leute dort ab, wo sie mit ihrem ganz bestimmten Anliegen sind?"
Warum fällt es einigen Menschen in der Kirche so schwer, diese Anregungen zu beherzigen?
Neumann-Staude: Das liegt daran, dass sie schon oft zehn oder 20 Jahre in der Gemeinde aktiv sind und alle internen Prozesse kennen. Sie wissen, warum etwas so ist, wie es ist, und so weiter. Und sie gucken mit ihrem internen Wissen auf die Seite. Und natürlich finden sie sich dann zurecht. Nur die wenigsten schaffen es auf Anhieb, so zu tun, als würden sie von extern drauf gucken und als würden sie sich in die Lage der "Kunden" versetzen.
Was würden Sie Gemeinden konkret raten, damit es besser klappt?
Neumann-Staude: Manchmal hilft es, sich "Personas" zu konzipieren. Zum Beispiel eine Frau, Mitte 30, verheiratet mit Kind und die hat das und das Anliegen. Davon denkt man sich mehrere aus, die die Demografie abbilden und die verschiedenen Anliegen, die man an eine Kirchengemeinde so stellen kann. Und mit diesen Personen im Kopf surft man dann auf der eigenen Seite und kontrolliert sie. Man sollte sich dabei immer die Frage stellen: Brauche ich internes Wissen, um mich in der Navigation meiner vorhandenen Website zurechtzufinden? Oder holt die Seite die Leute dort ab, wo sie mit ihrem ganz bestimmten Anliegen sind?
"Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen"
Und was würden Sie Gemeinden raten, die digital quasi bei null anfangen und sich fragen, in welchen Kanäle man in der heutigen Zeit als Kirchengemeinde präsent sein muss?
Neumann-Staude: Als jemand, der schon viele solcher Projekte umgesetzt hat und auch ehrenamtlich genau solche Projekte macht, würde ich ihnen sagen, dass sie gucken müssen, was sie an Ressourcen haben. Nichts, wirklich nichts, ist trauriger als eine Webseite mit der Rubrik "Aktuelles" und da ist die letzte Meldung von vor drei Monaten. Dann sollen sie das bitte lassen. Und es nützt gar nichts, dass sie hochmotiviert Twitter, TikTok, Facebook und Instagram bespielen und es nach zwei Monaten wieder einschläft.
Guckt, was ihr langfristig leisten könnt. Und danach entscheidet, was ihr macht. Und nicht, weil euch irgendwer gerade erzählt hat, dass ihr unbedingt jetzt bei Plattform XY sein müsst, weil die gerade total angesagt ist. Nächste Woche ist es eine andere Plattform. Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern man muss das ordentlich machen, was man leisten kann.
Aber sollte eine Gemeinde nicht wenigstens eine Homepage haben? Zugezogene werden sicher nicht in großer Zahl auf den nächsten Gemeindebrief warten, im Pfarrbüro anrufen oder zum Schaukasten gehen, wenn sie Informationen suchen?
Neumann-Staude: "Sollten" sie schon, das sehe ich genauso. Aber es muss halt auch gemacht werden. Es kann nicht sein, dass gesagt wird: "Wir machen das jetzt!" Und am Ende des Tages heißt es dann, dass die Gemeindesekretärin jetzt halt noch einen Job mehr zu tun hat. Und dann muss man die Leute auch schulen. Denn wenn ich meinen Mitarbeitenden keine Schulungen gebe, dann darf ich hinterher auch nicht überrascht sein, wenn das Ergebnis vielleicht nicht meinen Vorstellungen entspricht.
"Dann muss man das auch mal sterben lassen"
Wie stehen Sie zum Benchmarking in Kirche?
Neumann-Staude: Man sollte natürlich das, was man tut, immer hinterfragen und gucken, wie das angenommen wird. Und wenn es den Erwartungen nicht entspricht, sollte man auch darüber nachdenken, warum es das nicht tut. Dann sollte man sich die Frage stellen: Kommunizieren wir nur was falsch? Ist es von der Bedienung her falsch oder zu kompliziert? Finden es die Leute erst gar nicht? Oder interessiert es sie wirklich nicht. Denn natürlich gibt es auch mal Dinge, von denen man glaubt, dass es der "heiße Scheiß" ist, aber am Ende ist man eher allein mit dieser Meinung. Dann muss man das auch mal sterben lassen.
Wie könnte man sich das praktisch vorstellen?
Neumann-Staude: Es sollte von Anfang an klar und transparent formuliert sein, wie diese Kriterien für den "Erfolg" sind. Und man muss sich auch die zweite Frage dazu stellen: Wie kann ich meinen Erfolg "messen"? Wenn man diese beiden Fragen nicht beantworten kann, hat man ein Problem. Denn dann wird man die Situation haben, dass Person A der Meinung ist, dass das Projekt gar nichts taugt und es eingestellt werden sollte, während Person B sagt, dass das doch super gelaufen sei und man unbedingt weitermachen müsse. Und beide haben Recht, sie legen halt nur unterschiedliche Kriterien an. Und das ist für einen konstruktiven Dialog schlecht.