Frau reicht verzweifeltem Mann die Hand
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Ein Aspekt, der die hohe Suizidrate bei Männern erklärt, "ist sicher der Stolz einer nicht geringen Anzahl von Männern, bei Problemen ohne Hilfe allein klarzukommen", meint Professor Reinhard Lindner.
"Gespräch über Suizid darf kein Tabu sein"
Drei Fragen an den Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogrammes
Im Jahr 2018 haben sich nach Angaben des Nationalen Suizidpräventionsprogrammes 9.396 Menschen selbst getötet, darunter 7.111 Männer und 2.285 Frauen. Reinhard Lindner, Professor für Theorie, Empirie und Methoden der Sozialen Therapie an der Universität Kassel und Sprecher des Präventionsprogrammes, erklärt aus Anlass des Welttages der Suizidprävention am Donnerstag, warum die Rate bei Männern deutlich höher ist. Das Suizidpräventionsprogramm ist ein Netzwerk aus mehr als 90 Institutionen, Organisationen und Verbänden.

epd: Warum ist die Suizidrate bei Männern mehr als dreimal so hoch wie die bei Frauen?

Reinhard Linder: Das ist ein Phänomen, das die gesamte westliche Welt betrifft. Dahinter stehen Konzepte von Männlichkeit, die in unserer Kultur eine tragende Rolle spielen. Ein Aspekt ist sicher der Stolz einer nicht geringen Anzahl von Männern, bei Problemen ohne Hilfe allein klarzukommen. Diese Männer haben zudem große Probleme mit Abhängigkeit, also damit, andere Menschen zu brauchen. Schließlich können sie Wut und Ärger nicht so gut kontrollieren, haben keine gute Impulskontrolle. 

epd: Ein Phänomen der vergangenen Jahre sind sogenannte "Selbstmordattentäter". Sind religiöse Menschen eher dazu geneigt, Suizid zu begehen?

Reinhard Lindner ist Professor für Theorie, Empirie und Methoden der Sozialen Therapie an der Universität Kassel und Sprecher des Nationalen Suizidpräventionsprogramms.
  

Lindner: Nein. Hier handelt es sich um ein eigenes Thema, das die Prävention nicht betrifft. Ob man Selbstmordattentate als Suizid oder als Massenmord mit Inkaufnahme des eigenen Todes einschätzt, hängt ganz vom jeweiligen Fall ab. So gibt es die Situation, dass junge Menschen in bestimmten ökonomischen und gesellschaftlichen Situationen in eine solche Lage gebracht werden. Ihre Tat gilt für die Familie dann als heroisch.

Grundsätzlich aber hat Religiosität verschiedene Einflüsse auf Suizidalität. So schützt sie zum einen Menschen vor Suizid, die etwa davon überzeugt sind, dass sie von einer höheren Instanz getragen werden oder auch, dass der Suizid eine Sünde ist. Auch der soziale und kommunikative Aspekt von Religion hat eine wichtige Schutzfunktion. Andererseits aber kann ein rigides, strafendes und einengendes Bild von Gott auch zum Gegenteil führen. 

epd: Was kann die Gesellschaft tun, um die Suizidrate zu senken?

Lindner: Zum einen vor allem darüber reden! Das Thema darf in der Gesellschaft nicht ausgegrenzt werden, man muss darüber sprechen statt zu schweigen. Zum anderen braucht die Suizidprävention mehr gesellschaftliche und auch finanzielle Förderung. Und schließlich ist es wichtig, darüber aufzuklären, dass es wirksame Hilfe bei Suizidalität gibt.