Hinter dem Platz des Busfahrers locken in einem Kühlschrank die Käse-Sahne-Torte und der Pflaumenkuchen. Wo früher Kinder und Jugendliche auf grauen Stoffsitzen saßen, finden sich ein Kaffeeautomat und eine Geschirrspülmaschine. Aus einem 20 Jahre alten Gelenkbus hat ein evangelischer Pfarrverband im Harzvorland einen Cafébus gebaut. Unter dem Titel "Kirche to go" wollen die Initiatoren mit dem zwölf Tonnen schweren Gefährt einen neuen Begegnungsort schaffen. Der Bus ist ein Beispiel für Initiativen, mit denen die Kirchen auch an anderen Orten Deutschlands neue Wege zu den Menschen suchen.
Das mobile Kirchencafé steht an drei Tagen in der Woche mitten auf dem Parkplatz im Einkaufszentrum des knapp 4.000 Einwohner zählenden Orts Schladen bei Wolfenbüttel. Der evangelische Pfarrer Frank Ahlgrim sieht darin eine unaufdringliche und niedrigschwellige kirchliche Präsenz. "Kirche kann nicht darauf warten, das die Menschen kommen, sondern wir müssen zu ihnen gehen." Viele kämen auch aus den umliegenden Orten und begegneten sich beim Einkaufen. "Wir wollen damit niemanden bekehren, und wir sprechen ein Gebet auch nur, wenn es gewünscht wird", betont Ahlgrim.
Tatsächlich herrscht an dem Vormittag geschäftiges Treiben, Menschen schieben Einkaufswagen hin und her und verladen ihre Taschen in die Autos. Viele schauen neugierig, bleiben verwundert stehen. Manch einer steigt auch mal die vier Stufen rauf und schaut in den Bus hinein. Johannes Lippoldes sitzt gemeinsam mit seiner Frau im hinteren Teil des Busses auf den Sitzbänken aus blauem Kunstleder und genießt das erste Getränk. "Ein tolles Projekt", sagt der 35-jährige Landwirt, der selbst auch mal als Ersatzbusfahrer einspringt. "Wir hätten nicht gedacht, dass es zustande kommen würde."
Von der Idee vor drei Jahren bis zur Eröffnung war es ein langer Weg, berichtet Theologe Ahlgrim. Die einen hätten ihm davon abgeraten und ihn für verrückt erklärt, andere fanden die Idee genial. Immer wieder hätten Menschen und Unternehmen aber kostenfreie Unterstützung angeboten. Insgesamt 48.000 Euro hat der Umbau zum Cafébus gekostet, davon wurde ein Großteil durch Stiftungen finanziert. 1.500 ehrenamtliche Arbeitsstunden sind in das Projekt geflossen. Ein Großteil derjenigen, die sich dabei engagierten, habe vorher keine Berührungspunkte mit der Kirche gehabt, berichtet Ahlgrim.
Mit solchen Angeboten gelingt es nach Auffassung des Greifswalder Wissenschaftlers und Experten zu Fragen der Kirchenentwicklung, Patrick Todjeras, kirchenferne Menschen anzusprechen. Das zeige die Bewegung in der anglikanischen Kirche, die seit den 80er Jahren derartige Projekte unter dem Titel "Fresh expressions" betreibe. In den deutschen Landeskirchen gibt es diese Bewegung mit unterschiedlichen Namen seit etwa sieben Jahren. Laut Todjeras kennzeichnet die innovativen Kirchen-Projekte, dass sie danach fragen, was die Menschen vor Ort brauchen und was sie bewegt. Die hauptsächlich durch Ehrenamtliche initiierten Angebote reichten inzwischen von der Hausaufgabenhilfe in Plattenbausiedlungen bis zu einem zur Kirche umgebauten Bus.
In Schladen sind allein 30 Freiwillige im Einsatz, um den Cafébus an seiner ungewöhnlichen Haltestelle vor dem Supermarkt an drei Tagen zu öffnen. Einer der unermüdlichsten Helfer ist Christian Wolff, der auch an diesem Vormittag umgewehte Schilder richtet oder mal nach der Technik beim Geschirrspüler schaut. Eigens für das Projekt hat der 59 Jahre alte Rechtsanwalt und Datenschutzbeauftragte einen Führerschein gemacht, um den Bus zu seinen Einsatzorten zu bringen.
Mit dem 18 Meter langen Fahrzeug zu rangieren, sei schon eine Herausforderung, gesteht er lächelnd. Nicht in jedem kleinen Dorf und vor jeder Kirche könne er halten. "Da kann man sich recht leicht festfahren." Doch zukünftig wird er wohl noch öfter im Einsatz sein: Denn der Cafébus soll auch für Lesungen und Konzerte genutzt oder vermietet werden.