Keine Frage, Projekte wie Mehrgenerationenhäuser, die versuchen die Generationen zu vereinen, boomen und Kommunen und Städte geben in Deutschland für dieses zukunftsweisende Konzept Millionenbeträge aus. Denn für viele steckt darin eine große Hoffnung, da dieses Generationenpotenzial die Erfahrung und Weisheit der älteren mit der Dynamik und der Zuversicht der jungen Generation zusammenbringt.
Was für eine Möglichkeit, die gerade an vielen Orten gefeiert wird! Überall? Nein, nur in vielen Kirchen und Gemeinden nicht. Denn da erleben viele die generationsübergreifende Gemeinschaft als Herausforderung oder sogar als Krise und man streitet sich schnell über Liedgut, Liturgie und Sprache – oder die Jungen kommen erst gar nicht mehr. Also gilt es, neu den Schatz zu entdecken, den wir in vielen unserer intergenerationalen evangelischen Kirchen haben.
Da ist Marion, die immer wieder versucht ihre Ideen in ihre Kirchgemeinde einzubringen, aber jetzt frustriert ausgetreten ist. Sie sagt: "Oft habe ich das Gefühl, egal was wir jungen Erwachsenen versuchen, es wird abgelehnt, es soll nichts Neues zugelassen werden, ja, nicht mal Kontakt mit den Älteren wird geknüpft. Was vielen Gemeinden extrem schwer fällt ist, Vertrauen abgeben, sich überraschen lassen, die junge Generation mal machen lassen, Positionen bieten, wo wir mitreden können."
Die EKD Spitze hat die 18- bis 35-Jähirgen in den letzten Jahren neu in den Blick genommen und der EKD Ratsvorsitzende Bedford-Strohm überlegt laut einen flexibleren Kirchensteuersatz für diese Generation einzuführen. Das ist gut, aber es liegt meist nicht am Geld, sondern wie empirische Studien rausgefunden haben, an der mangelnden Bindung, so wie es auch bei Marion der Fall war. Junge Menschen wollen eingebunden werden, Teilhabe erleben und vor allem eins: mitbestimmen. Und dies gilt es wahrzunehmen und zu fragen, wie dies gemeinsam umgesetzt werden kann. Denn gerade die Unterschiedlichkeit kann auch eine Chance für eine gemeinsame Zukunft sein.
Geprägt von unterschiedlichen Gaben
Schauen wir auf die ersten Gemeinden in der Bibel, dann stellen wir schnell fest, dass sie allesamt "bunt" waren und aus verschiedenen Generationen, Nationen und sozialen Milieus bestanden. Gerade darin wird der "Leib Christi" in seiner Unterschiedlichkeit deutlich, gerade darin wird die Ergänzung und Vielfalt sichtbar. Nicht eine Gruppe muss und kann alles machen und abdecken, sondern die Unterschiedlichkeit entlastet auch. Hier liegt die Chance, voneinander zu lernen, ja, sich an den Anderen zu freuen, aber dafür müssen wir neu sensibel werden und an den Anderen mit seinen Erfahrungen, Gaben und Aufgaben ernst nehmen. Wir dürfen unterschiedlich sein in Persönlichkeit, Frömmigkeitsstil und politischer Gesinnung. Christus verbindet uns.
Gemeinde ist geprägt von unterschiedlichen Gaben: Und da, wo sie ihre Gaben einsetzen, wird die Gemeinde gebaut (1Kor 14,12). Gemeinde heißt nicht nur singen und predigen, sondern ganz mitgestalten. Wie können Alte und Junge ihre Begabungen einbringen? In Kunst, Handwerk, Organisation etc. Die Coronazeit hat das plastisch verdeutlicht, dass plötzlich Technikkompetenz gefragt war und (junge) Leute aktiv wurden, die vorher kaum in Erscheinung traten.
Echte Integration heißt auch ein Recht auf Mitbestimmung
Es ist auch die Aufgabe der Kirchenleitung, für die vielfältigen Begabungen eine Struktur zu schaffen, damit diese Vielfalt umgesetzt werden kann. Es ist vielleicht eine der größten Chancen, dass die Welt sieht, wie man in einer pluralistischen Gesellschaft vorbildlich miteinander umgeht. Wie man die Unterschiedlichkeit an den Anderen als Bereicherung wahrnehmen kann und nicht angstbesetzt dagegen vorgehen muss. Bei aller Unterschiedlichkeit kommt es am Ende weder auf den Frömmigkeitsstil noch auf theologische Wahrheiten an, sondern auf die gelebte Liebe und den praktischen Umgang. Dazu müssen Begegnungsräume geschaffen werden, damit Mitarbeit, Teilhabe und Identifikation geschehen kann: Ein Abend, an dem sich die verschiedenen Gruppen innerhalb einer Kirche treffen, miteinander essen und sich austauschen, gemeinsame Freizeiten, generationsübergreifende Mentoringpaare oder die Integration der unterschiedlichen Generationen in die verschiedenen Leitungsgremien. So kann Mitarbeit in der Kirche wirklich eine der schönsten Sachen der Welt sein.
Die Beziehung zwischen verantwortlichen Erwachsenen und Jugendlichen in der Kirche wird durch zwei Faktoren maßgeblich bestimmt: Wie gut und wie viele der jungen Menschen sind in der Kirche integriert und welchen Stellenwert hat die Förderung im konkreten Gemeindealltag und dem Kirchenverständnis? Jugendliche sind ein Teil der Kirche und haben deshalb – wie jede andere Personengruppe auch – ein explizites Anrecht auf einen entsprechenden Anteil an Mitbestimmung und Mitgestaltung. Da würde natürlich niemand widersprechen, aber dies gilt es im Alltag zu leben. Jugendliche mit ihren Interessen und Bedürfnissen müssen ernst genommen werden und dafür braucht es auch eine strukturelle Grundlage und konkrete methodische Umsetzungen.
Das Potenzial ist da
Und ja, es gibt da schon viele gute Ansätze, von den Jugenddelegierten der EKD bis zu Gemeinden vor Ort, die junge Leute vorbildlich einbeziehen. Von neuen Initiativen wie Fresh X und Erprobungsräumen bis hin zu den elf Zukunftsthesen "Kirche auf gutem Grund" des Z-Teams, wo explizit junge Menschen mit hineingenommen wurden. Aber dies ist allenfalls ein guter Anfang, denn es gilt, die aufgenommene Spur konsequent weiter zu verfolgen und ehrlich zu fragen, wo junge Menschen aktiv in unseren Kirchen vorkommen. Wir sollten über Gestaltungsräume nachdenken, in denen neue Formate und Lieder (auch im Gottesdienst) gemeinsam eingeübt werden oder über die feste Integration von jungen Leuten als Quote in den Leitungsgremien von Kirchenältesten über die Kreissynoden bis hin in die Landessynoden (mit vollem Stimmrecht!). Dies darf die junge Generation auch selbstbewusst als Teil ihrer Kirche einfordern. Denn nur gemeinsam kann Kirche gelingen. Das Potenzial ist zweifelsohne da.