Die zweijährige Lynn läuft schnurstracks auf die Bändchen mit laminierten Pappkarten zu. Im Südseecamp in der Lüneburger Heide hat Urlauberseelsorgerin Ruth Litzen zwischen zwei Bäumen rund 200 Bibelsprüche und andere mutmachende Worte zum Mitnehmen aufgehängt. "Für Lynn gehört es dazu, sich täglich ein Segensband zu holen", erzählt Mutter Jenny Meß. Der Campingplatz in Wietzendorf ist inmitten der Ferien gut gebucht, auch in der "Regenbogengasse", wo die Kirche ihr Zelt aufgeschlagen hat, herrscht Kommen und Gehen. Aber in Corona-Zeiten ist manches anders als sonst.
Üblicherweise ist die Urlauberseelsorge innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland im Sommer bundesweit auf rund 60 Plätzen vertreten. Doch in diesem Jahr sei das Angebot ausgedünnt, sagt der hessische Urlauberseelsorger Peter Dietrich als Sprecher des Arbeitsbereiches. Voll besetzte Kirchenzelte etwa, sind nicht drin. Ruth Litzen hat deshalb an diesem Tag das Bastelangebot nach draußen verlegt und achtet auf Abstände. "Das Ganze setzt auch neue Kräfte und neue Ideen frei", sagt sie.
Schnell bilden sich Schlangen von Kindern und Eltern, die aus Wachsperlen und Stoff Bienenwachstücher herstellen wollen. "Wie morgens vor dem Brötchenwagen", kommentiert Camperin Petra Timmermann. Sie steht im Zelt mit Maske vor Mund und Nase und gibt als Teamerin Anleitungen für das Bügeln der Tücher und zu den Hygienebestimmungen. "Wir müssen deinen Namen aufschreiben und deine Telefonnummer, weil es da diese blöde Corona-Krankheit gibt", erklärt Timmermann dem Mädchen, das als nächste dran ist.
Nicht überall kann die Kirche wie sonst Angebote machen. Vereinzelt seien Auflagen extrem hoch, berichtet Peter Dietrich. Auch Ehrenamtliche vor dem Camping-Einsatz zu schulen, sei angesichts der zunächst geltenden Kontaktbeschränkungen kaum möglich gewesen. Doch die Umstände machten kreativ. Selbst hat der Seelsorger aus Hessen am Edersee ein Strandlokal an einer Badewiese renoviert und dort seine "Cafédrale" eröffnet. An der niedersächsischen Nordseeküste steuert ein "Kirche-unterwegs-Mobil" Campingplätze jetzt zumindest an einzelnen Wochentagen an.
Geschichten zum Mitnehmen
Im Südseecamp drängen sich sonst bei "Gute Nacht Geschichten" viele Kinder in dem Kirchenzelt. Jetzt gibt es die Geschichten zum Mitnehmen. Mittwochs können Familien Diakonin Litzen oder jemanden aus ihrem Team als private Erzähler direkt an den Wohnwagen bestellen.
Petra Timmermann ist mit dem Klapp-Caravan in Wietzendorf und reist mit ihrer Familie seit 15 Jahren an. Fast genauso lange unterstützen sie und ihr Mann Dirk das Kirchenteam. "Es ist eine Urlaubsstimmung da, wie wir sie kennen", sagt sie. Nur die Zusammensetzung der Gäste sei etwas anders. "Unsere Zeltnachbarn wollten jetzt eigentlich in Kroatien sein."
Einbußen wettmachen
Weil viele jetzt nicht ins Ausland fahren, profitieren Campingplätze. Doch für viele Betriebe wird sich nach Einschätzung des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland erst nach der Herbstsaison zeigen, ob der schlechte Jahresstart noch ausgeglichen werden kann. Laut einer Mitgliederbefragung des Verbandes gab es Ende Juli, anders als oft berichtet, auf vielen Plätzen noch freie Kapazitäten.
Das als Premiumplatz geltende Südseecamp ist in den kommenden Monaten besser ausgelastet als in den Jahren davor, sagt Svenja Thiele-Naujok von den Betreibern. Sie hofft, so Einbußen aus dem Frühjahr mit zweimonatiger Schließung wettmachen zu können. "Dann wären wir Gewinner unter den Verlierern."
Idylle mit besorgten Gedanken
Thiele-Naujok blickt über den Badesee im Mitten des Geländes, wo Paare, und Familien mit viel Platz in der Sonne sitzen und Kinder planschen. Eine Idylle, in die sich besorgte Gedanken mischen. Viele Gäste hielten sich an Regeln wie die Maskenpflicht in Waschräumen, erzählt sie. Aber zunehmend gebe es auch diejenigen, die leichtsinnig würden. Was, wenn ein zweiter Lockdown droht?
Auch Ruth Litzen nimmt unterschiedliche Stimmungen wahr, wenn sie beim Gang über den Platz oder vor dem Kirchenzelt ins Gespräch kommt. Bei dieser Seelsorge zwischen "Tür und Angel", wie sie es nennt, überwiege die Dankbarkeit, Urlaub machen zu können. "Dazu kommt aber die Sorge, wie es weitergeht." Zum zwölften Mal in sechs Wochen hat die Diakonin neue Segensworte vor das Kirchenzelt gehängt - 1.000 Stück sind schon mitgenommen worden.