Was macht man aus einer leergeräumten Kirche? Die Evangelische Kirchengemeinde Hundelshausen im nordhessischen Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) hat beschlossen: ein Kino. Aus der neugotischen Kirche mit 250 bis 300 Plätzen sind wegen einer Sanierung alle Bänke entfernt worden. Das leere Kirchenschiff soll nun mindestens bis Mai 2021 für Filmvorführungen genutzt werden, wie Pfarrer Christian Schäfer sagt. Etliche Vereinsmitglieder im Ort haben als Freiwillige den Umbau gestemmt. Am 28. August soll die Kinokirche öffnen.
Die Idee sei im Gespräch mit dem Geschäftsführer des örtlichen preisgekrönten Programmkinos Capitol, Wolfgang Würker, entstanden, berichtet Schäfer. Seit Ostern gebe es wegen Corona einen Baustopp bis nächstes Jahr, dann stehe die Sanierung des Innenraums an. Dass es in der Zwischenzeit eine neue Nutzung der Kirche gibt, sei das Verdienst vieler Helfer: Ein ehemaliges Kino in Marburg habe 120 Kinosessel geschenkt, das örtliche Umzugsunternehmen habe sie unentgeltlich abgeholt. Ein Dutzend Freiwillige habe in drei Tagen die Kirche geputzt.
Der örtliche Palettenhändler hat den Unterbau für die Sessel gespendet und die Volksbank noch Geld. Pappe zum Verdunkeln der Kirchenfenster werde ebenfalls eine örtliche Firma spenden, sagt Schäfer. Die Leinwand und der Projektor kommen vom Capitol-Kino. Auch eine Theke werde es im Eingangsbereich geben. "Die Freiwilligen haben Unmengen von Stunden gerackert", lobt der Pfarrer. Die Kinokirche sei ein Projekt für ganz viele im Ort geworden. "Es verbindet, und es tut gut, in der Corona-Zeit etwas Gutes zu tun."
Unter Beachtung der Hygienevorschriften können 60 bis 80 Filmfreunde eine Vorstellung besuchen. Das Programm soll verschiedene Altersgruppen und Milieus ansprechen. So könnten etwa eine Julia-Roberts-Reihe laufen, Bud-Spencer-Filme oder "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel", sagt Schäfer. Mit internationalen Studierenden aus Witzenhausen zusammen könne etwa "Madame Mallory und der Duft von Curry" gezeigt werden. Die Filme werden von der Kirchengemeinde und dem Capitol-Kino gemeinsam ausgewählt. Auch Vorführungen zu Familienfesten seien denkbar und Gespräche mit Filmemachern.
"Wir können so Menschen erreichen, die die kirchlichen Angebote gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie denken, sie wissen schon, was dort passiert", sagt der Pfarrer. Die Kirche müsse die verschiedenen Milieus ernst nehmen, und sie sollten sich in der Kirche zu Hause fühlen. "In der Kirche und im Kino kann man zusammen lachen und weinen." Alle Reaktionen aus der Kirchengemeinde seien positiv, berichtet Schäfer. Die Kartenpreise gehen an das Capitol-Kino, die Kirche stellt eine Spendenbüchse für die Sanierung auf. Gottesdienste gibt es weiterhin, so den Schulanfangsgottesdienst Mitte August. Auf Kinosesseln natürlich.