Seit Bayerns Kultusminister Michael Piazolo vor vier Wochen ein Sonderferienprogramm für coronageplagte Familien angekündigt hat, brummt es in den Schaltzentralen der bayerischen Jugendarbeit. "Die abgesagten Zeltlager oder Auslandsfahrten sind mit dem Infektionsschutz nicht vereinbar, die Träger müssen deshalb ganz neue Formate erfinden, die der aktuellen Situation gerecht werden", beschreibt Christian Schroth, BJR-Grundsatzreferent, die Lage.
Rund 500 Angebote sind mittlerweile eingetragen worden, täglich kommen etwa 20 neue hinzu. "Es wird sich auch in Wochen lohnen, auf unser Portal zu schauen - die Träger versuchen vor Ort, bei großer Nachfrage Angebote zu verlängern oder zu verstärken", sagt Schroth. Am besten mit Corona-Vorschriften vereinbar seien Tagesangebote in Kleingruppen, die jeweils für eine Woche gebucht werden können. Es gebe aber auch klassische Formate wie Zeltlager, nur in kleinerem Rahmen. "Das Ziel ist, dass die Kinder schöne Sommertage erleben, ohne ein Gesundheitsrisiko für Teilnehmer oder Betreuer einzugehen", bringt es Schroth auf den Punkt.
Auch die evangelische Jugend mischt kräftig mit. Die Dekanatsjugend Weilheim beispielsweise stampft an elf Standorten zwischen Starnberg und Mittenwald insgesamt 20 Ferienwochen für je 12 Kinder aus dem Boden. Das traditionelle Zeltlager auf der Halbinsel Lindenbichl im Staffelsee sei nicht zu ersetzen. "Aber wir wollen unserer Verantwortung für die Eltern und Kinder nachkommen, die dringend ein Ferienangebot brauchen", sagt Diakonin Lea Petrat. Eine Woche kostet 35 Euro, gebucht werden kann bis acht Tage vor Programmstart.
Evangelische Jugend München fix ausgebucht
Diese Flexibilität können andere Ferienklassiker in diesem Jahr nicht bieten: Zur Freizeitstätte der Evangelischen Jugend München im "Hirschgarten" können Kinder normalerweise unangemeldet aufkreuzen und tageweise mitmachen. "In diesem Jahr haben wir statt 150 Plätze aber nur 50, und die waren schon nach drei Tagen ausgebucht", sagt eine Mitarbeiterin. Auch die Ferienbetreuung der Inneren Mission musste ihre sonst für Kurzentschlossene offene Stadtranderholung im Planegger Forst begrenzen. "Ausgebucht" prangt auf der Website.
Noch Plätze frei hat hingegen die Jugendsiedlung Hochland bei Königsdorf im Landkreis Bad Tölz. Wo im Sommer normalerweise jede Woche bis zu 2000 Kinder und Jugendliche zelten, verlieren sich in diesem Jahr Zehnergrüppchen auf dem weitläufigen Gelände. "Es sind vor allem Familien da oder Wohngruppen von sozialen Einrichtungen", berichtet Betriebsleiter Roland Herzog. Ende August gebe es für Freiluftfreunde noch Lücken im Belegungsplan.
Bange Frage: Wie hoch ist der Bedarf?
Doch wie hoch ist eigentlich der Bedarf bei Familien? Hat kurz vor Ferienbeginn nicht längst jeder alles organisiert? Für Lea Petrat vom Jugendwerk Weilheim ist das eine bange Frage: "Wir brauchen pro Woche mindestens sechs Kinder, sonst müssen wir absagen." Entscheidend sei, dass die Eltern jetzt an die nötigen Infos kämen. Dafür will der BJR mit seinem Ferienportal sorgen. "Die Zugriffszahlen auf der Plattform sind enorm", sagt die BJR-Pressesprecherin. Dennoch bekommt auch sie besorgte Anrufe: Von Jugendträgern, die nicht wissen, ob es in ihrer Region überhaupt Bedarf gibt. Aber auch von Alleinerziehenden, deren Schichtpläne mit den coronatauglichen Tagesangeboten nicht zusammenpassen. Der BJR versuche dann zu beruhigen und Alternativen zu finden.
"Wir haben ein gutes Netzwerk und können die Akteure an der Basis motivieren, je nach Bedarf Angebote zu machen", sagt BJR-Referent Christian Schroth. Innerhalb von vier Wochen aus dem Stand ein bayernweites Programm zu organisieren, funktioniere nur, "weil alle vom Ziel her denken". Als nächstes plant er eine Betreuerbörse, auf der Ehrenamtliche ohne Ferienjob und Träger mit Betreuermangel zusammenfinden. "Das Ferienprogramm ist in diesem Sommer ein sehr dynamischer Prozess", sagt BJR-Referent Christian Schroth. Ein Glück, dass Dynamik eine Spezialität der Jugendarbeit ist.