Chorleiter Martin Jordan dirigiert den Jungen Konzertchor clazz .
© epd-bild/Harald Koch
Aus voller Kehle in geschlossenen Räumen mitsingen wie hier vor Corona? Nicht, solange noch Verunsicherung hinsichtlich der Ansteckungsgefahr herrscht.
Das Gotteslob anstimmen oder vorsichtshalber den Mund halten?
Pfälzer Protestanten sind sich uneins über den Gemeindegesang in Corona-Zeiten
Die Corona-Lockerungen machen es möglich im Land: Viele Menschen singen bei Gottesdiensten in Kirchenräumen wieder aus vollem Halse mit. Während die einen über den Gemeindegesang erfreut sind, raten andere wegen möglicher Ansteckungsgefahr davon ab.
11.07.2020
epd
Alexander Lang und Florian Riesterer

Hedda Ziemer ist glücklich, dass sie wieder laut im Gottesdienst mitsingen darf. Als Corona den Gemeindegesang verstummen ließ, ging sie auf Nummer sicher: Sonntags sang sie zu Hause beim Fernsehgottesdienst mit, erzählt die 80-jährige Ludwigshafenerin. "Im Gottesdienst summte ich nur." Jetzt lässt die aktuelle Corona-Verordnung das Singen in den Kirchen in Rheinland-Pfalz unter Hygiene- und Abstandsauflagen wieder zu. "Ich bin froh über die Lockerung", erzählt die Protestantin, die lange im Kirchenchor in der protestantischen Jona-Gemeinde aktiv war.

Geteilt sind das Kirchenvolk und die Pfarrerinnen und Pfarrer in der Pfalz und Saarpfalz bei der Frage, ob das Singen der Gemeinde in Kirchenräumen eine gute Idee ist. Und manche stehen wie gebannt vor dem sich ändernden Regelwirrwarr. Bei ihm sei die frohe Botschaft noch nicht angekommen, dass Gemeindegesang wieder erlaubt ist, verrät Gemeindepfarrer Johannes Gerhardt aus Ludwigshafen-Friesenheim.

Grundsätzlich hält Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald ein Singen in Kirchen für vertretbar. Wo aber der Sicherheitsabstand sowie ein gutes Lüften nicht gewährleistet werden könnten, müsse darauf verzichtet werden, sagt er. Besser seien dann Mitsummen, "innerliches Singen", Singen im Freien oder Liedlesungen. Problematisch bleibe die nicht vollständig geklärte Gefahr durch Aerosole - kleinste in der Luft schwebende Tröpfchen, räumt Steuerwald ein.

Der Schutz von gefährdeten Personen stehe im Zweifel vor dem Gemeindegesang, lautet die Meinung von Pfarrer Martin Anefeld aus Landau-Nußdorf. Der Obmann für Bläserarbeit in der pfälzischen Landeskirche weiß, wie gerne die Menschen wieder sorgenfrei singen und musizieren würden. Solange das Verhalten des Virus beim Singen oder Blasen eines Blechblasinstruments aber ungeklärt sei, müsse man auch aus Rücksicht auf jene zurückstecken, die ein größeres Risiko sehen.

Sprechen statt Singen

So will auch die Ludwigshafener Dekanin Barbara Kohlstruck "weiterhin weitestgehend darauf verzichten". Gute Erfahrungen hat sie gemacht mit dem Sprechen der Liedtexte auf die Melodie. Das erfordere zwar Übung und Abstimmung mit den Organisten, aber die Wahrnehmung der Textinhalte sei intensiver als beim Singen. Manche Gemeinden in der Landeskirche lassen stattdessen einzelne Sänger am Altar singen.

Pfarrer Christoph Krauth aus Kaiserslautern-Erfenbach singt dagegen seit zwei Wochen wieder mit seiner Gemeinde. Die meisten Gemeindemitglieder seien froh darüber. Zwar gebe es auch Bedenkenträger, "aber die kommen trotzdem", sagt er. Was es für die Menschen bedeutet, zu singen, sei nicht zu unterschätzen, sagt Krauth.

Singen als Teil der Verkündigung

Singend übernehme die Gemeinde einen Teil der Verkündigung, erläutert Oberkirchenrat Manfred Sutter, der auch für Gottesdienste in der Landeskirche zuständig ist. Er ermuntert Gemeinden "mit dem Singen wieder mutiger werden", wenn sich die Infektionszahlen weiter stabilisierten. Oder eben sich wieder einzuschränken, wenn dies nicht der Fall sei.

Das geringe lokale Infektionsgeschen um Kaiserslautern waren für Pfarrer Klaus Zech und sein Presbyterium der Kirchengemeinde Katzweiler-Mehlbach der Anlass, schrittweise mit dem Singen wieder anzufangen. "Vorerst nur ein bis zwei Lieder, die restlichen spielt der Organist", sagt Zech. Seine 81-jährige Mutter habe das Fehlen des Gesangs als "hochgradig bedrückend" empfunden.

Nur eine Ausdrucksform der Gotteslobes

Bei Pfarrer Christopher Markutzik aus Sausenheim-Neuleiningen haben sich wiederum etliche Konfirmanden und Präparanden zurückgemeldet. "Sie halten den Gesang für das einzig schöne am Gottesdienst." Eben weil sie dann aktiv beteiligt sind, glaubt der Pfarrer. Trotzdem will er mit dem Singen bis nach dem Sommer warten - mit Blick auf eine mögliche zweite Corona-Welle.

Aus biblisch-theologischer Sicht könne man in dieser Zeit mit dem Gemeindegesang abwarten, sagt Pfarrer Thomas Borchers vom Missionarisch-Ökumenischen Dienst in Landau. Der Gesang der Gemeinde sei nur eine Ausdrucksform der Gotteslobes. Wenn die Gefährdung nahelege, nicht zu singen, fehle sicher dem Gottesdienst etwas Wichtiges. "Aber es macht ihn nicht unmöglich."