Anna-Kristina Bauer, Andreas Graf
Aus dem Gebetbuch der Bahai
"Sie ist einsam gestorben"
Sie hat mich großgezogen, sie hat alles gegeben. Für ihre Mühe konnte ich nichts zurückgeben, gib Du ihr zurück. Sei gnädig zu ihr, wie sie es zu mir war." – Das ist eine Fürbitte von Kindern für Mütter aus dem Gebetbuch der Bahai. Man sagt, in den Versen Gottes ist eine starke Energie. Liest du aus reinem Herzen, spürst du sie. Lesen heißt bei uns: singen! Noten gibt es nicht. Du musst dich loslösen, in jedes Wort gehen. Das ist Gänsehaut pur.
Meine Mutter hatte eine schöne Stimme. Man sagt, wenn sie sang, seien die Schlangen senkrecht stehen geblieben. Als mein Vater starb, widmete sie sich ganz uns Kindern, statt wieder zu heiraten. Als wir für sie da sein sollten, kam die iranische Revolution und sie schickte uns weg, ich war 16. Wir haben uns vermisst – und verpasst. Als sie mich nach 25 Jahren besuchen durfte, hatte ich selbst ein Kind. Sie ist einsam in ihrem Haus im Iran gestorben. Das tut verdammt weh.