Eines der Wahrzeichen von Bad Windsheim versteckt sich im Moment hinter einem dicken Gerüst. Am Kirchturm der Seekapelle laufen Sanierungsarbeiten, schon von der Ferne aus thront er mit seinen bunten Ziegeln über dem kleinen Städtchen mit seinen gut 12.500 Einwohnern. Die alten Ziegel sind schon runter, die neuen orientieren sich möglichst nahe an den Originalen, sagt Dekanin Karin Hüttel.
Die evangelische Kirchengemeinde hat eine Aktion gestartet, um nun die ausrangierten Stücke unters Volk zu bringen. Sie nennt sich "Ein Stück Windsheimer Geschichte für Ihr Zuhause". Immer donnerstags und sonntags gibt es die Ziegel am Kiosk der Stadtkirche St. Kilian.
Sonntagmorgen, kurz nach zehn Uhr, der Gottesdienst ist gerade vorbei. Auf dem Marktplatz an der "Ziegelhütte", wie die Dekanin den Kiosk nennt, ist wenig los. Eine Frau mit Walking-Stöcken ist unterwegs und ein grau melierter Mann, der seinen Hund spazieren führt. Vor einem Café, das zwischen Kilianskirche und Seekapelle liegt, sitzen ein paar Touristen in der Sonne und lassen sich ihren Kaffee schmecken. Erika Dietrich-Kämpf und Bernd Bach vom Kirchenvorstand betreuen den Kiosk. Unterstützung bekommen sie von Helene Enser, ihre Mutter ist ebenfalls im Kirchenvorstand. Doch der Kiosk liegt verwaist da und wartet auf Kundschaft. "Den großen Ansturm haben wir am Starttag der Aktion erlebt. Da war viel los, weil Markt war", sagt Hüttel.
Weil schon viele Menschen für die Sanierung gespendet haben, gibt es die Ziegel gratis. Aber eine Spendenbox steht am Kiosk bereit. Rund 55.000 Euro Eigenanteil kostet die Kirchengemeinde die Renovierung, den größten Teil steuert die bayerische Landeskirche bei. Aber es gebe auch noch finanzielle Unterstützung seitens der Stadt und vom Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim, betont die Dekanin. Sie ist überwältigt von der Spendenbereitschaft der Bad Windsheimer, aber auch darüber hinaus. 35.000 Euro seien schon zusammengekommen.
"Wir haben uns gefragt: Ist das psychologisch so geschickt?"
Dabei hatte die Kirchengemeinde anfangs lange überlegt, ob sie den Spendenaufruf überhaupt startet. Es war Anfang April, die Anfangszeit der Corona-Krise und des Lockdowns, der gerade einmal zwei Wochen alt war. "Wir haben uns gefragt: Ist das psychologisch so geschickt? Wir haben es dann trotzdem gemacht", sagt Hüttel. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass es so gut läuft. Aber viele Menschen verbinden positive Erlebnisse mit der Seekapelle wie Hochzeit oder Taufe. Sie ist ein Stück Heimat."
Warum überhaupt renoviert werden musste, erläutert Pfarrer Rüdiger Hadlich. Der Kirchturm sei in Gefahr gewesen, gerade bei Stürmen seien häufiger Ziegel heruntergefallen. Insgesamt drei Jahren liefen die Planungen für die Sanierungsmaßnahmen.
Wie alt die Ziegel wirklich sind, ist unklar. Denn viele seien im Laufe der Zeit schon ausgetauscht worden, sagt der Pfarrer. "Wenn wir hochschauen zum Turm der Seekapelle und sehen die farbigen Rauten, dann denken wir: Es ist doch alles wunderbar. Was für ein schönes Wahrzeichen der Stadt", sagt Hadlich. "Wenn wir die alten Ziegel jetzt hier liegen sehen mit all den Ablagerungen, sind sie nicht mehr so schön anzuschauen."
Ein Stück Geschichte für Zuhause
Die Arbeiten am Kirchturm liegen voll im Zeitplan, bis Ende des Jahres soll der Turm wieder in alter Schönheit über die Stadt ragen. Den Gratsparren werde mehr Festigkeit verliehen, wie Hüttel erklärt. Kleinere Ausbesserungsarbeiten im Inneren des Gotteshauses sind schon abgeschlossen. Der Wunsch mit den Ziegeln zum Mitnehmen sei aus der Bevölkerung gekommen: "Es ist so, dass viele Menschen einfach ein Stück von dieser historischen Substanz für ihr Zuhause oder ihren Garten mitnehmen möchten."
Die Ziegel gibt es am donnerstags von 10 bis 12 Uhr während des Marktes und sonntags zwischen 10 und 11 Uhr nach dem Gottesdienst in St. Kilian. Die Aktion läuft bis Anfang August.