Hilgendiek sagte in Schwerte dem epd, über die bisher angekündigten Maßnahmen hinaus sei die grundsätzliche Diskussion der Produktionsbedingungen überfällig: "Hintergründe und grundsätzliche gesellschaftliche Orientierungen, die zu dieser Form moderner Sklavenarbeit führen, müssen hinterfragt werden." Der Markt dürfe nicht allein darüber entscheiden, welche Produkte verkauft werden, erklärte die Landespfarrerin des westfälischen Kirche für Wirtschaft, Arbeit und Soziales. Der Markt müsse durch rechtliche Rahmenbedingungen gezügelt werden, die prekäre Arbeit, Ausbeutung von Mensch und Tier und die weitere Gefährdung des Planeten verhindern.
Eine an Masse und damit an Massentierhaltung orientierte Fleischproduktion stehe dem Menschen- wie dem Tierwohl entgegen, kritisierte Hilgendiek. Eine ungebrochen auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft führe offenbar dazu, dass Ungerechtigkeit und Menschenverachtung auch in Deutschland nicht nur hingenommen, sondern geradezu gefördert würden. Die internationale Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen in ihrer auf Export ausgerichteten Produktion basiere auf Lohndumping und Ausbeutung.
"Skandalöse Arbeits- und Lebensbedingungen"
Die verbindlichen Rechte sozialversicherungspflichtig Beschäftigter würden umgangen, erklärte Hilgendiek. Anstelle einer Konzentration der Fleischindustrie auf wenige Unternehmen seien eine regionale Landwirtschaft und ein regionaler Lebensmittelmarkt nötig, der zudem auf hochwertige und fair produzierte Fleischprodukte setze.
Die hohen Corona-Infektionszahlen bei Mitarbeiten in der Fleischindustrie hätten "die unzureichenden, gefährlichen und gefährdenden, skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen erneut entlarvt", sagte die Sozialpfarrerin weiter. Besonders die Situation der Arbeitnehmer aus Ost- und Südosteuropa sei mehr als prekär. Die aktuelle Gelegenheit für Verbesserungen dürfe nicht ungenutzt bleiben, mahnte sie.