Die Corona-Krise hat kirchliche Tagungshäuser Mitte März kalt erwischt. "Am 17. März kam der Schließungsbeschluss, ab 18. März fanden keine Veranstaltungen mehr im Haus statt", berichtet etwa Kirchenrätin Elke Maihöfer vom Leitungsteam des Einkehrhauses Stift Urach. In Windeseile mussten die Teams Buchungen absagen. Inzwischen ist eine schrittweise Wiederöffnung in Sicht.
"Nach der Corona-Krise wird nichts mehr sein wie vorher", sagt Professor Jörg Hübner, Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll. Vor allem die Themen werden davon geprägt sein. "Im Grunde haben wir es ja mit einander verschränkten Krisen zu tun: Corona-Krise und Klima-Krise." Die Akademie verstehe sich in dieser Situation "im positiven Sinn gefordert als kirchlicher Thinktank mit unserem Anspruch, gesellschaftlich visionär nach vorne zu denken".
Die Herausforderung, im Dialog Wege in die Zukunft zu erarbeiten, hat in Bad Boll ab 15. Juni ein ungewohntes organisatorisches Umfeld. Das Haus, das 10.000 Gäste im Jahr gewohnt ist, muss zum Infektionsschutz die Kapazitäten zurückfahren. Was unter diesen Bedingungen möglich ist, sei noch offen: "In vielen Dingen fahren wir nur auf Sicht."
Auswirkungen bis ins nächste Jahr erwartet
"Wir rechnen damit, dass auch 2021 die Tagungsplanungen noch unter dem Corona-Vorzeichen stehen. Das heißt, dass große Tagungen über 80 Personen wohl kaum stattfinden, da die Abstandsregeln ansonsten nicht eingehalten werden können", sagt Hübner weiter. Und er sei froh, dass das Team der Tagungsstätte die Krise so engagiert angeht. Mit Blick auf die entstehenden Haushaltslücken wäre ein Rettungsschirm für Bildungseinrichtungen nötig, denn bei einigen werde es um die pure Existenz gehen.
Lothar Hölzle, der kaufmännische Leiter des Tagungshauses Kloster Kirchberg kennt die Finanzlücke seines Hauses schon. Auch wenn die bei Touristen beliebte Schenke im Kloster schon am 19. Mai wieder öffnen darf - mit ausgedünnten Sitzplätzen - so kann doch erst am 4. Juni der Tagungsbetrieb wieder starten. Bis dahin wird ein Loch von rund 720.000 Euro in der Kasse sein, sagt Hölzle.
Was in den kommenden Monaten möglich ist, sei eine "Jonglage", sagt Dagmar Kötting vom Kirchberger Team. Die Teilnehmerzahlen sind jetzt begrenzt auf maximal 32 Personen und manches muss komplett entfallen: "Gospelsingen - geht nicht. Gottesdienst mit Handauflegen - geht nicht." Und das in einem Haus, in dem Menschen Besinnung und Begegnung suchen.
"Es ist wie puzzeln"
Seit Mitte März hatte das Team mit Internet-Angeboten wie Tagzeitgebeten und Internet-Kursen Alternativen entwickelt. Doch die sind zeitaufwendig. Parallel zu einem Tagungsbetrieb ist das kaum zu schaffen. Trotzdem soll, was gut angekommen ist, so weit möglich fortgesetzt werden, sagt Kötting.
Elke Maihöfer im Stift Urach sieht gespannt der Wiederöffnung des Hauses am 15. Juni entgegen. Im Januar und Februar war es mit rund 1.000 Übernachtungen komplett belegt. Dann der erzwungene Absturz im März: "Von 100 auf null Prozent." Und jetzt: "Täglich warten auf neue Verordnungen." Was bedeuten die dann fürs Restaurant, für die Zimmer, für die Tagungsräume? Einbahnstraßen organisieren, Tische auseinanderrücken, Abstände sichern. "Es ist wie puzzeln", sagt Maihöfer.
Auch beim Belegungsmanagement: Kommen die Gruppen, die ab 15. Juni eingebucht sind, mit dem geringeren Belegungskontingent klar? Was hat Priorität? Chöre und Orchester müssen von sich aus Buchungen stornieren, weil sie nicht gemeinsam proben dürfen. Viele ältere Menschen verschieben gebuchte Geburtstage oder Ehejubiläums-Feiern. Manche sagen: "Dann feiern wir eben nächstes Jahr den 51. Hochzeitstag. So Gott will."
"Auffangnetz oder ein Rettungsschirm"
In der Ländlichen Heimvolkshochschule Hohebuch setzt das Team auf einen hohen Buchungsbedarf ab Juni. Geschäftsführer Wilfried Häfele hofft, dass die notwendige "kritische Auseinandersetzung mit der Corona-Krise - was sind Folgen und Notwendigkeiten für die Zukunft" auch in Tagungen in Hohebuch stattfinden wird.
Eine Herausforderung sei, digitale Angebote zu entwickeln. Die haben Vorteile, etwa leicht zugänglich zu sein und aufwendige Anreisen zu erübrigen, sagt Häfele. "Andererseits sind wir nach wie vor der Überzeugung, dass eine digitale Veranstaltung im Gegensatz zu einer Präsenzveranstaltung nie dieselbe Qualität des Interagierens erreichen kann."
Auch Häfele hält generell "unbedingt ein Auffangnetz oder einen Rettungsschirm" für notwendig, "wenn die Bildungsarbeit weiter existieren können soll". Wer gesellschaftliche Werte, Verständnis für Demokratie, Solidarität und soziale Gerechtigkeit voranbringen wolle, müsse enorm in Bildung investieren. "Ich hoffe, dass die Politik auch hier die Krise als Chance nutzt", sagt Häfele.