Gemeinde versammelt sich an der Kirche.
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Gemeindefeste könnten teuer werden: Bisher konnten Kirchengemeinden nur umsatzsteuerpflichtig werden, wenn sie mit einem "Betrieb gewerblicher Art" etwa durch Reisen, Basare oder Anzeigenverkäufe für den Gemeindebrief jährliche Einnahmen von jeweils über 35.000 Euro erzielten. Die ändert sich ab Ende 2022.
Staat kassiert beim Pfarrfest künftig mit
Neue Umsatzsteuerregel bewertet Kirchen als Unternehmer
Kirchengemeinden befürchten durch die geplante Umsatzsteuerpflicht beträchtliche Mehrarbeit. Ein Hoffnungsschimmer ist nun, dass die Übergangsfrist bis zur neuen Regelung bis Ende 2022 verlängert werden soll.

"Das ist ein Bürokratiemonster", sagt Presbyter Mirco Sobetzko. Der Finanzkirchmeister der evangelischen Kirchengemeinde in Lechenich bei Köln sieht die bevorstehende Einführung der Umsatzsteuerpflicht für die Kirchen mehr als skeptisch. Ab 2021 sollen Kirchen grundsätzlich Unternehmern gleichgestellt werden. Wenn zum Beispiel auf dem Pfarrfest Kaffee, Kuchen und Bratwurst verkauft werden, verdient der Staat künftig mit - 19 Prozent Steuern auf die Einnahmen muss die Kirche abführen.

"Mit der neuen Bestimmung setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung um", erläutert der Steuerreferent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Matthias Schock. Kirchengemeinden sind beunruhigt, denn aufgrund der mit der Neuregelung verbundenen umfangreichen Dokumentationspflichten müssen sie mit beträchtlicher Mehrarbeit rechnen. Auch seien manche Details der Umsetzung mit dem Staat noch nicht geklärt, sagt die Steuerexpertin der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Eva Scheidemantel.

Ein Aufschub des Inkrafttretens der neuen Vorschrift käme den Kirchen daher recht. Ein entsprechender Vorstoß der ebenfalls von der Reform betroffenen Kommunen hat offenbar Aussichten auf Erfolg: Die Bundesregierung will dem Bundestag vorschlagen, dass das alte Recht noch zwei Jahre länger bis Ende 2022 angewendet werden darf, wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte.

Bisher konnten Kirchengemeinden nur umsatzsteuerpflichtig werden, wenn sie mit einem "Betrieb gewerblicher Art" etwa durch Reisen, Basare oder Anzeigenverkäufe für den Gemeindebrief jährliche Einnahmen von jeweils über 35.000 Euro erzielten. Das kam jedoch eher selten vor.

Steuerpflicht für circa ein Viertel der Kirchengemeinden

"Nun ist Kirche immer Unternehmer - nur im Ausnahmefall nicht", erklärt Schock. Der Gedanke dahinter: Die Bewirtung der Gäste beim Beerdigungskaffee im Gemeindehaus könnte anstelle der ehrenamtlichen Kirchenmitarbeiter auch ein Gastronomiebetrieb übernehmen, wie der Teamleiter Umsatzsteuer für die Evangelische Kirche von Westfalen, Tobias Gäbel, erläutert. "Der Gastronom müsste Umsatzsteuer zahlen, die Gemeinde bisher nicht - mit solcher Ungleichbehandlung sollte durch die Neuregelung Schluss gemacht werden", sagt der Fachmann.

Künftig werden alle privatrechtlichen Umsätze von den Finanzämtern nicht getrennt betrachtet, sondern zusammengerechnet, sagt Gäbel. Wer dabei die "Kleinunternehmergrenze" in Höhe von 22.000 überschreitet, muss zahlen. EKD-Referent Schock wie auch Eva Scheidemantel von der Bischofskonferenz gehen davon aus, dass mindestens ein Viertel der Kirchengemeinden steuerpflichtig werden - insbesondere größere Pfarreien dürfte es treffen.

Steuerbefreiungen möglich

Nicht angewendet wird das Umsatzsteuerrecht auf Tätigkeiten, die die Kirchen "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" ausüben, also auf der Grundlage von Gesetzen, Satzungen und Verordnungen: Nicht besteuerbar von vornherein sind demnach etwa Nutzungsgebühren für Gräber oder Kita-Beiträge; sie müssen nicht in die Steuererklärung. Dies gelte auch für "jedes Handeln, das dem Ausdruck und der Vermittlung des christlichen Glaubens dient", heißt es in einer Arbeitshilfe der beiden großen Kirchen. Dabei reicht die Palette von der Pfarrerausbildung über Konfirmandenfahrten oder Opferkerzen zum sofortigen Gebrauch bis zu den in der katholischen Kirche üblichen Mess-Stipendien.

Für viele Tätigkeiten, die im Umsatzsteuergesetz genannt werden, werden aber auch Steuerbefreiungen eingeräumt, betont Gäbel. Dies gelte etwa für Vermietung und Verpachtung, Einnahmen aus Erbbaurechten, die Jugendarbeit oder für Kirchenchöre, die als Kulturträger eine Bescheinigung des Landes bekommen können. Ob Einnahmen steuerbefreit oder steuerpflichtig sind: "Mehr Arbeit werden alle Gemeinden haben", sagt die katholische Expertin Scheidemantel voraus, denn alle Umsätze müssten dokumentiert werden.

Hoher Aufwand für Gemeinden

Landeskirchen und Diözesen bereiten sich seit 2017 auf die Umstellung vor. Experten beider Kirchen haben dazu eine Arbeitshilfe erstellt, trotz der Corona-Krise entsteht gerade eine aktualisierte Neuauflage. Die westfälischen Kreiskirchenämter seien gerade dabei, "die Einnahmen aller Kirchengemeinden zu untersuchen und die neue Rechtslage darüberzulegen", erklärt Tobias Gäbel. Mitarbeiter in der Buchhaltung würden geschult und sollen ihre Kenntnisse auch an die ehrenamtlichen Finanzkirchmeister in den Gemeinden weitergeben.

Der Kirchenvorsteher Mirco Sobetzko aus Lechenich rechnet im Moment damit, dass seine Gemeinde nicht über die Schwelle von 22.000 Euro Umsatz kommt und also auch keine Steuern zahlen muss. Die Jugendarbeit sei sowieso ausgenommen und für den Kulturbereich mit Kirchenmusik und Kabarett werde man sich befreien lassen. Die Einnahmen durch Speisen und Getränkeverkauf beim Gemeindefest seien längst nicht so hoch. Das eigentliche Problem der Rechtsänderung sei der damit verbundene Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe, beklagt Sobetzko: "Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen."