Der Altar in der Anstaltskirche der JVA Fuhlsbüttel wird Ostersonntag trotz Corona-Krise festlich geschmückt sein. Und der evangelische Gefängnis-Seelsorger Friedrich Kleine wird auch nicht allein "Christ ist erstanden, von der Marter alle" singen - mit ihm wird sein katholischer Amtsbruder Richard Raming die Osterkerze entzünden. Anschließend gehen die beiden Theologen auf die Station und reichen einigen Gefangenen einen "Brief-Gottesdienst", eine Kerze und eine kleine Blume in die Zelle.
Seit auch in der JVA keine Gottesdienste mehr gefeiert werden dürfen, greift der 59-Jährige auf diese Alternative zurück. Die etwa 40 Gefangenen, die sonst regelmäßig zum Gottesdienst kommen, erhalten von Kleine sonntags eine kurze Liturgie auf Papier mit Evangeliums-Text und Gebetsvorschlag. Oft legt er noch eine schöne Postkarte mit besonderer Briefmarke dazu, damit der Gefangene Kontakt zur Außenwelt halten kann. Internet-Zugang haben die Männer nicht.
Auch sein Seelsorge-Angebot kann momentan nur sehr limitiert stattfinden: Während Kleine normalerweise acht bis zehn Gespräche am Tag hat, sind es derzeit etwa so viele in der ganzen Woche. Die "Gespräche zwischen Tür und Angel", die der Seelsorger spontan mit Gefangenen führt, wenn er über die Station läuft, fallen komplett weg. Die Seelsorge findet nicht mehr in Kleines Büro statt, sondern in der Anstaltskirche. Das wirke sich natürlich auf die Qualität der Gespräche aus, so der Theologe.
Viele der Häftlinge leiden unter Vorerkrankungen wie Hepatitis C, HIV, Herz-Kreislauf oder Bluthochdruck und gehören zur Hochrisikogruppe. "In Zeiten von Corona sind wir hier die Gefährder", sagt Kleine. Besuche finden in den Haftanstalten nur noch sehr begrenzt statt. Dennoch sei der Bedarf an Seelsorge und Gesprächen nicht gestiegen, sagt Kleine. Das bestätigten ihm seine Kollegen aus anderen Haftanstalten wie auch sein katholischer Kollege. Die Gefangenen seien gut informiert über die Gefahren, die eine Ansteckung mit sich bringen kann.
Komplexe und schwierige Themen
Kleine ist seit Februar evangelischer Seelsorger in der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt. Er ist Nachfolger von Pastor Christian Braune, der in den Ruhestand ging. Zuvor war Kleine Seelsorger in der JVA Lübeck und Gemeindepastor in Herzhorn (bei Glückstadt). Die Gespräche, die meist 45 Minuten lang dauern, gehen durchaus in die Tiefe. "Ich bin nicht so der Plauderonkel", sagt Kleine von sich selbst. Die Themen, mit denen er konfrontiert wird, seien durchaus "komplex und schwierig". In "Santa Fu" sind 280 Männer inhaftiert, die langjährige Haftstrafen verbüßen - Drogenhändler, Geiselnehmer und Mörder. Für die Tätigkeit als Gefängnis-Seelsorger qualifizierte sich Kleine mit einer pastoralpsychologischen Ausbildung.
Die Gespräche kommen in der Regel auf Wunsch des Gefangenen zustande. Sie sind freiwillig - und absolut vertraulich. "Wir sind nicht Teil des Systems", sagt Kleine. Als Seelsorger schreibt er weder Gutachten noch Aktenvermerke. "Für ein Gespräch mit mir gibt es keine Punkte wegen 'guter Führung'." Es geht um das, was den Gefangenen wirklich bewegt und beschäftigt. "Für manche Häftlinge mit langer Strafe bin ich oft die einzige Bezugsperson. Manchmal gibt es draußen niemanden mehr. "Da sei er einfach als Mensch wichtig.