epd: Auch die Banken gehören in der Corona-Krise zur kritischen Infrastruktur. Warum?
Thiesler: Bankdienstleistungen spielen bei fast jeder wirtschaftlichen Transaktion eine Rolle. Banken sorgen unter anderem für die Bargeldversorgung und den reibungslosen Zahlungsverkehr.
Haben Sie in dieser Situation als Kirchenbank eine besondere Funktion?
Thiesler: Die KD-Bank ist vor allem für die diakonischen Kranken- und Pflegeeinrichtungen systemrelevant - sie muss ihre Versorgung mit Kapital und Liquidität sicherstellen. Zu unseren Kunden gehören rund 160 Krankenhäuser, Hunderte Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste, Kitas und Schulen sowie Werkstätten für Behinderte. Sie stehen in den nächsten Wochen vor der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte und müssen auch in der Krise auf uns zählen können. Allein die Überweisung der Gehälter betrifft Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen.
"Die Unternehmen der freien Wohlfahrtspflege dürfen aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit nur begrenzt Rücklagen bilden und können wenig für schlechte Zeiten zurücklegen."
Wo haben die diakonischen Unternehmen denn zusätzlichen Geldbedarf - und was tun Sie, um ihn zu decken?
Thiesler: Im Moment benötigen unsere Kunden schnelle Liquiditäts- und Kreditzusagen für die kurzfristige Anschaffung etwa von Intensivbetten, Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Für diesen akuten Bedarf haben wir eine Corona-Express-Finanzierung eingerichtet. Sie sorgt mit einem vereinfachten Kreditverfahren für die kurzfristige Ausstattung mit Liquidität. Das Volumen dieser Sonderkredite beträgt bis zu einer Million Euro pro Kunde. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass wir unseren Kunden als Hausbank so bald wie möglich die Bürgschaftsprogramme der Bundesregierung und der Länder vermitteln können. Bisher ist die Gesundheits- und Sozialwirtschaft leider unter anderem bei den neuen KfW-Krediten außen vor.
Reichen die staatlichen Hilfen für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft aus?
Thiesler: Wir erkennen den politischen Unterstützungswillen an, allerdings müssten die Hilfspakete stärker an diese außergewöhnliche Lage angepasst sein. Zumal die Unternehmen der freien Wohlfahrtspflege aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit nur begrenzt Rücklagen bilden dürfen und somit wenig für schlechte Zeiten zurücklegen können. Es drohen innerhalb kürzester Zeit Zahlungsengpässe. Die Wohlfahrtspflege ist aus meiner Sicht für das Funktionieren unseres Gemeinwohls und der Solidargemeinschaft unentbehrlich, sie darf nicht geopfert werden.
Wie beurteilen Sie die Situation in den Krankenhäusern?
"Ich trete für eine unbürokratische und schnelle Hilfe für alle Kliniken ein."
Thiesler: Dort ist die Lage ernst und leider streiten wir uns noch immer zu lange über die Ausgestaltung und Finanzierung der Hilfen. Ich trete für eine unbürokratische und schnelle Hilfe für alle Kliniken ein. Wer jetzt alle Kapazitäten in die Bekämpfung des Coronavirus steckt, muss sicher sein, dass er sich nicht in bürokratischen Netzen verheddert und später schlechter dasteht als zuvor. Aktuell erhalten die Kliniken keine pauschalisierten Erlöse, sondern müssen ihren Ausfall taggenau belegen, um Ausgleichszahlungen zu erhalten. Da sprechen wir noch gar nicht über die höheren Aufwendungen für Schutzkleidung, zusätzliche Beatmungsgeräte und so weiter. Nötig ist aber auch die schnelle Auszahlung der zugesagten Mittel.
Wie ist die Lage in anderen diakonischen Bereichen?
Thiesler: In der Altenhilfe wird es in besonderer Weise darum gehen, die gestiegenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen umzusetzen. In den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ist das Bild ähnlich. Abzusehen ist, dass es wegen der nötigen Schutzvorkehrungen kurzfristig in allen Bereichen der Pflege zu einem erheblichen Mehraufwand kommen wird. Zudem wird eine Wiederbelegung von freien Plätzen schwieriger werden, das führt zu Erlös-Einbußen.
"Dabei brauchen wir eigentlich einen Rettungsschirm für die gesamte Sozialwirtschaft."
In vielen anderen diakonischen Bereichen ist das Problem existenzbedrohend, da sie aktuell nicht unter den Rettungsschirm fallen. Unterstützt werden nur soziale Dienstleister, die sich aktiv in die Bewältigung der Auswirkungen der Coronavirus-Krise einbringen. Deshalb liegen zurzeit viele Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Angebote von Sozialkaufhäusern oder Begegnungsstätten sowie wichtige ambulante Angebote auf Eis. Eine Entschädigung durch den staatlichen Schutzschirm scheint immer weniger wahrscheinlich. Dabei brauchen wir eigentlich einen Rettungsschirm für die gesamte Sozialwirtschaft.
Das Virus hat auch den Bankbetrieb verändert. Wie arbeiten Sie aktuell?
Thiesler: Wir arbeiten seit Anfang März im Krisenmodus. Die betriebsnotwendigen Abteilungen sind auf verschiedene Standorte aufgeteilt und wir haben die Homeoffice-Kapazitäten massiv erhöht, so dass die Hälfte der Mitarbeitenden zuhause arbeiten kann. Das wird wichtig sein, wenn die ersten Krankheitsfälle in unserer Bank auftreten. Alle Veranstaltungen bis Ende Mai sind abgesagt, die Dienstreisen wurden gestrichen und wir überlegen, ob wir unsere Mitglieder persönlich zu unserer Generalversammlung empfangen dürfen, die für den 24. Juni geplant ist. Sehr hilfreich ist in dieser Situation unsere Struktur als Fernbank: Unsere Privatkunden sind es gewohnt, ihre Geschäfte per Telefon oder Online-Banking abzuwickeln, mehr als 80 Prozent nutzen das Online-Banking.