Die Menschen sollen sich voneinander fernhalten, um sich und die Mitmenschen zu schützen. Großeltern sollen ihre Enkelkinder zurzeit nicht sehen, weil ältere Menschen anfälliger für das Virus sind und ihr Immunsystem es nicht gut bewältigen kann. Schulen, Kitas und Universitäten bleiben zu, viele arbeiten von zu Hause. Gottesdienste, Taufen, Konfirmationen, große Hochzeitsfeiern und auch Ostergottesdienste fallen aus oder werden verschoben. Und unsere Eventkultur kommt zum Erliegen. Unsere Welt entschleunigt. Sorgen werden groß: um Menschen, die man liebt, und auch Sorgen finanzieller Art wachsen. Schnelligkeit ist jetzt notwendig, aber sinnvolle Reaktionen benötigen auch Besonnenheit.
Aus der Krise des Coronavirus kann aber auch die Möglichkeit für ein ganz neues Miteinander erwachsen. Wir verhalten uns, wie es gerade angebracht ist. Wir sprechen miteinander: am Telefon, per Videokonferenz, per Textnachricht, manchmal sogar mehr als zuvor. Wir öffnen unseren Blick und unsere Herzen, ob unsere älteren Mitmenschen, die teilweise alleine leben mit dem Nötigsten versorgt sind. Einen prall gefüllten Einkaufskorb kann man auch ohne direkten Kontakt vor die Wohnungstür stellen. Wir üben Fürsorge.
Auch mit Blick auf das hohe Alter vieler Gottesdienstbesucher*innen hält Peter Dabrock, Vorsitzender des Ethikrates, es für unverantwortlich, dass die Kirchen Veranstaltungsangebote machen, die Menschen aus der Hochrisikogruppe einer Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus aussetzen. Er fordert eine Absage aller Gottesdienste. Fassungslos kritisiert er die "Kleinstaaterei" bei den Kirchen.
Es ist Zeit für digitale Verkündigung. Andachten und Gottesdienste in digitaler Form gibt es zahlreiche, einige werden rasch entwickelt. Einen Überblick haben wir auf evangelisch.de veröffentlicht. Und es werden immer mehr. In den Social-Timelines wird Hilfe angeboten, wie Gottesdienste und Andachten live gestreamt werden können und welche Stolpersteine wie aus dem Weg zu räumen sind. Dort wird auch überlegt, ob zentrale Gottesdienste einzelner Landesbischöfe demnächst abwechselnd online gefeiert werden können.
"Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen", sagt Jesus bei Matthäus 18,20. Christliche Gemeinschaft im kleinen Rahmen ist überall und jederzeit möglich. Auch im Kampf gegen das Virus braucht es Gemeinschaft, braucht es Zusammenhalt. Eine Gemeinschaft von international Forschenden arbeitet mit Hochdruck daran, Ursprung und Verbreitung des Virus zu verstehen und damit die Grundlage für die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen. Das alles braucht seine Zeit, aber globales Teamwork wird auch hier zum Ziel führen. In der Vereinzelung wird jetzt neue Gemeinsamkeit geschaffen.
Die Italiener und inzwischen auch die Spanier dürfen ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Das hat ihre Regierung verordnet. In der Not haben sie ein herzerwärmendes Ritual entwickelt, das ihnen hilft aus der Isolation zu treten. Alle paar Stunden gehen sie ans Fenster oder auf ihren Balkon und singen aus der Stille heraus gemeinsam Lieder mit ihren Nachbarn über Straßen und Plätze hinweg. Jeder mit seinem Talent. Aber keiner singt allein.
Wir alle stehen in der Verantwortung. Wir bauen auf die Kraft, die wir im Evangelium finden. Dass wir einander schützen, müssen wir als gemeinschaftliches Handeln verstehen. Wir sind in einer Krise, wie sie die wenigsten von uns erlebt haben und die uns vor völlig neuer Herausforderung stellt. Solidarität und die Liebe des Nächsten ist aber nicht auf körperliche Gegenwart angewiesen. Die Menschen können mehr, können kreativ sein und neue Wege finden, ihre Mitmenschen in der Isolation nicht allein zu lassen. Gegen diese Kreativität und unsere Liebe zum Nächsten hat ein Virus keine Chance.