Zerstörte Dresdner Frauenkirche
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Die Ruinen der Frauenkirche in Dresden nach dem Bombenangriff in 1945 während des zweiten Weltkrieges.
"Dem Evangelium sind alle nationalistischen Tendenzen fremd"
Frauenkirchen-Pfarrer Feydt mahnt klare Abgrenzung zu Extremismus an
Dresden erinnert am 13. Februar an die Zerstörung der Stadt und tausende Kriegsopfer im Zweiten Weltkrieg. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Gedenkrede halten. Im Vorfeld des Gedenktages, der sich zum 75. Mal jährt, sprach der Evangelische Pressedienst (epd) mit Frauenkirchen-Pfarrer Sebastian Feydt über das Erinnern, den Opfermythos und rechtsextreme Tendenzen in der Kirche.
12.02.2020
epd
Katharina Rögner

Die Dresdner Frauenkirche ist Symbol der Versöhnung. Welche Rolle spielt sie beim jährlichen Gedenken zum 13. Februar?

Sebastian Feydt: In Dresden gibt der 13. Februar immer Anlass, wahrhaftig zu erinnern und gleichzeitig den Blick in die Stadt heute zu richten. Dresden kann auf 75 Jahre befriedetes Zusammenleben zurückblicken. Für die Stiftung Frauenkirche ist das Erinnern immer mit ihrer in den Sandstein geschlagenen Friedensbotschaft verbunden.

Was heißt das konkret?

Feydt: Auf der einen Seite ist damit Dankbarkeit für die ausgestreckte Hand der einstigen Gegner im Zweiten Weltkrieg wie zum Beispiel Großbritannien und Polen verbunden. Die gebauten Brücken der Versöhnung sind begeh- und belastbar. Gleichzeitig erleben wir eine Zeit großer politischer Ungewissheit und Unsicherheit. Die Frage, wie sicher wir leben, bewegt viele Menschen. In diesem Spannungsverhältnis erinnern wir an die Folgen des von Deutschland in die Welt getragenen Krieges. Das bedarf einer immer neuen Auseinandersetzung.

Rechtsextreme missbrauchen den Gedenktag regelmäßig für ihre Zwecke. Wie muss die Antwort der Zivilgesellschaft aussehen?

Feydt: Wenn Rechtsextreme das Gedenken zu missbrauchen versuchen, muss die Zivilgesellschaft widerstehen. Wir müssen erinnern, was einst zum Nationalsozialismus und zur Zerschlagung der Demokratie geführt hat. Hier sind die Kirchen gefordert, keine neue Distanz zu Demokratie und Rechtsstaat entstehen zu lassen.

Wie sehr bestimmt besagte Distanz aus Ihrer Sicht den Alltag?

Feydt: Wir leben in einer Zeit, in der rechtsextreme Tendenzen in den politischen Alltag einziehen, in der nicht nur nationalkonservatives, sondern nationalistisches Denken in der Kirche vorzufinden ist. Wir haben als Kirche einen Bildungsauftrag. Dazu gehört, die Demokratie zu stärken und gegen Antisemitismus und einen um sich greifenden Rechtsextremismus einzutreten. Dem Evangelium sind alle nationalistischen Tendenzen fremd. Ein wahrhaftiges Erinnern führt heute unmittelbar in ein Engagement für Frieden und Versöhnung. Wir müssen das Evangelium des Friedens klar herausstellen.

Wie kann der Bildungsauftrag der Kirche ausgebaut werden? Welche Verantwortung hat Kirche?

Feydt: Die historische Verantwortung muss in den Kirchgemeinden erinnert und in den Kitas und Schulen vermittelt werden. Die erschreckende Unwissenheit und Unbedarftheit im Umgang mit historischen Ereignissen darf nicht tatenlos hingenommen werden. Wir müssen extremistischen Tendenzen klar widersprechen und Lehren aus der Vergangenheit immer wieder neu in den aktuellen Kontext stellen. Allein eine Abgrenzung zwischen nationalkonservativem und rechtsextremistischem Denken reicht nicht. Unsere Botschaft muss immer biblisch begründet bleiben. Kirche muss sich heute eindeutig positionieren: Barmherzigkeit leben, Nächstenliebe üben. Der Anschlag von Halle hat gezeigt, in welcher Gefahr wir andernfalls stehen.

"Es ist gut, aus der selbstgenügsamen Nabelschau herauszukommen und den Fokus auf eine Opferrolle abzulegen"

Sehen Sie denn in der Landeskirche noch Nachholbedarf beim klaren Abtrennen zwischen demokratischen und antidemokratischen Positionen?

Feydt: Leider gibt es da Nachholbedarf, sonst müsste die Forderung nicht aufgestellt werden, sich mit diesen Themen differenziert auseinanderzusetzen.

Sehen Sie denn ein aktuelles Bemühen bei diesem Thema?

Feydt: Ich bin dankbar, dass die aktuelle Aufgabe klar ausgesprochen ist. Nun muss sie angepackt und mit Substanz unterlegt werden. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Landeskirche.

Dresden arbeitet seit Jahren an einer Gedenkkultur - statt einer zentralen Veranstaltung werden jetzt viele Aktionen angeboten. Die Menschenkette hat sich etabliert. Wie lautet ihr Fazit zur Praxis des Gedenktages?

Feydt: Dass es verschiedene Angebote gibt, halte ich für richtig. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich. 75 Jahre nach den Ereignissen des 13. Februars 1945 stellt Dresden sein Erinnern in einen internationalen Kontext. Das ist wertvoll. Es ist gut, aus der selbstgenügsamen Nabelschau herauszukommen und den Fokus auf eine Opferrolle abzulegen.