Soeben sind die vier Pfarrerinnen und Pfarrer an Bord der "MS Evangelika" gegangen, schon heißt es "Leinen los und Ahoi", und das Kirchenschiff steuert aufs offene Meer. In Zeiten von sinkenden Mitgliederzahlen, Klimawandel und Globalisierung bietet sich das Setting eines Kirchenschiffs als perfekte Kulisse für das neue Programm des bayerischen Kirchenkabaretts "Das weißblaue Beffchen" an. Das hatte am Sonntagabend in Oberhaching Premiere. Gekonnt bedient sich die Inszenierung bei filmischen und historischen Vorlagen - vom Traumschiff bis zur Titanic ist alles dabei.
Bereits kurz nach dem Ablegen gerät das Schiff in heftige Wetter. Eine (Kirchenaustritts)-Welle nach der anderen klatscht gegen die Bordwand der "MS Evangelika", die mit über 500 Jahren Reformationsgeschichte schon reichlich in die Jahre gekommen ist. "Es gab ja mal Zeiten, in denen wir als Kriegsschiff unterwegs waren", stellt der Kapitän gleich zu Beginn provokativ in den Raum. Inzwischen sei die Flotte nicht mehr wirklich flott. Überall blättere der Lack ab.
Der Mannschaft wiederum passt der Führungsstil an Bord nicht. Mit der evangelischen Demokratie sei es auf dem alten Kahn nicht weit her: Aus den oberen Etagen kämen dauernd Befehle, die die unteren Chargen dann auszuführen hätten. Überhaupt hat die Crew Zweifel am bestehenden Kurs. Denn: Hat irgendwer je den Kapitän gesehen? Der habe sich schon seit mehr als zweitausend Jahren nicht mehr blicken lassen. "Hinterlässt uns ein Logbuch, und seither schippern wir von Küste zu Küste", klagen die Seeleute.
Kirchliche Strukturen zu kritisieren und die eigene Zunft humorvoll zu hinterfragen - diese Kunst beherrscht das Kirchenkabarett schon lange. Mit Irene Geiger-Schaller, Hannes Schott, Josef Höglauer und Anne Bärbel Ruf-Körver steht seit der Gründung des Kabaretts 1976 inzwischen die vierte Generation evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer auf der Bühne. In ihrem neuesten Programm widmen sie sich aktuellen Themen ebenso wie Klassikern.
Reformprozesse, Datenschutz oder Kooperation
Mal geht es um den kirchlichen Reformprozess Profil und Konzentration "PuK" ("Es spukt"), dann um Datenschutz ("künftig nennen wir Konfirmanden nur noch Chantal und Kevin") oder um neue Formen der Kooperation ("Könnten Zahnärzte nicht all die Gesangbuch-Lieder sponsorn, in denen es ums Brücken bauen geht?").
Zum Klassiker im Programm gehört eine Kirchenvorstands-Nummer, die heuer kurzerhand in die Steinzeit zurückversetzt wurde. Dort wird dann über Menschenopfer und Schamanismus diskutiert und das Protokoll in Stein gemeißelt - wenn gar nichts mehr weitergeht, grunzt der anwesende Dinosaurier einfach nur "Lalala".
Eine seltsame Stimme aus dem Off
Traditionell legt das Programm viel Wert auf die musikalischen Einlagen: So singt Josef Höglauer am Klavier einen Song über Ehrenamtliche, denen vom Pfarrer ein Amt nach dem anderen aufgebrummt wird, bis sie verzweifelt umziehen - um dort dann das Gleiche zu erleben. Hannes Schott beweist sein Schlagertalent als Howard-Carpendale-Verschnitt und singt mit "Hello Again" die wohl schmalzigste Auferstehungsgeschichte aller Zeiten.
Im letzten Sketch steuert alles auf die Katastrophe zu: Die massiven Austrittswellen lassen das Schiff sinken. Wie auf der Titanic intoniert die Crew ein letztes Lied. Doch dann ertönt aus dem Off eine seltsame Stimme. Hat sich etwa der Kapitän zu Wort gemeldet? Die Crew jedenfalls ist optimistisch und setzt einen neuen Kurs. Auf zum Kap der guten Hoffnung!