"So lange die Gesellschaft nicht geschlechtergerecht ist, muss es die Evangelischen Frauen geben." Elke Beck-Flachsenberg, erste Vorsitzende des Dachverbands Evangelischer Frauen (EFB) in Bayern, hat bei diesem Satz den Blick nicht nur aufs Land, sondern auch auf ihre Kirche gerichtet.
Das gute Abschneiden der Frauen bei den jüngsten Wahlen zum Kirchenparlament, der Synode, freut sie sehr. "Aber wir haben den Eindruck, dass Frauen-Themen in der Landeskirche keine absolute Priorität haben." Es herrsche auch hier - wie oft in der Gesellschaft - die Meinung vor, den Einsatz für Gleichberechtigung "brauchen wir nicht mehr".
Die Frauenarbeit, über die Beck-Flachsenberg und ihre Stellvertreterin Eva Schoenauer berichten, wirkt beim ersten Hinsehen für den Laien recht verschachtelt: Da ist ein Dachverband EFB mit rund 20 Mitgliedsorganisationen: Diakoninnen, Pfarrfrauen, Dorfhelferinnen, die Frauen in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen oder der Verein für Internationale Jugendarbeit gehören dazu. Und dieser Dachverband EFB wiederum ist Mitglied in anderen Bündnissen: beim Bündnis für Toleranz, im bayerischen Landesfrauenrat, im Rundfunkrat, im Diakonischen Rat, im Umweltbeirat der Landeskirche und in zahlreichen Fachausschüssen.
Ein Sprachrohr für Frauen
"Wir wollen im vorpolitischen Raum ein Sprachrohr für Frauen sein", bringt die Vorsitzende ihre Verbandsarbeit auf einen Nenner. Eine Aufgabe, der sich der Verband seit 100 Jahren widmet. Das soll am 2. Februar in der Marthakirche in Nürnberg gefeiert werden.
Gegen Rechtsextremismus, für gerechte Bezahlung von Frauen, für die Parität von Frauen und Männern in den Parlamenten, für eine Bildungszeit für Beschäftigte - Elke Beck-Flachsenberg und Eva Schoenauer zählen ein paar der Ziele auf, die für ihren Verband wichtig sind. Sie haben Studientage zum Thema Organspende oder zur weiblichen Seite der Flucht veranstaltet und befassen sich mit Digitalisierung oder Altersarmut. "Es geht nicht, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer", kritisiert Schoenauer.
Als vor 100 Jahren in Nürnberg die Evangelische Frauenarbeit gegründet wurde, ist allerdings von Gremienarbeit noch wenig die Rede gewesen. Das Bündnis soll, so hält es "Fräulein" Elisabeth Naegelsbach vom evangelischen Arbeiterinnenverein als Schriftführerin am 2. Februar 1920 in der Unteren Talgasse in Nürnberg fest, "die Interessen der Frauenwelt vertreten".
Die Nürnberger Historikern Nadja Bennewitz hat einen Aufsatz zur Geschichte der EFB geschrieben hat. "Als echte Einheit hat man sich nicht verstanden", erklärt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Gründung des EFB falle in eine Zeit der reaktionären Stimmung im Deutschen Reich. Der konservative deutsche Protestantismus stand gegen die demokratische Weimarer Republik. Das Wahlrecht für Frauen befürworteten die evangelischen Frauen zwar, öffentliches Engagement von Frauen in der Politik war aber suspekt.
Die erste Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Frauenarbeit (DEF), Paula Müller-Otfried, fürchtete beispielsweise, dass "die Demokratisierung mit Riesenschritten fortschreiten" würde. Trotzdem kandidierte sie selbst für die Deutsch-Nationale Volkspartei und gewann einen Sitz im Reichstag.
Langsames Herantasten an neues Frauenbild
1933 wiederum gelang es den evangelischen Frauen in der bayerischen Landeskirche, der Gleichschaltung durch den NS-Staat zu entgehen. Das "Frauenwerk der Deutschen Evangelischen Kirche in Bayern" habe aber keine Opposition gegen die nationalsozialistische Ideologie dargestellt, erklärt Bennewitz.
Am 30. Oktober 1945 kamen die Mitgliedsverbände des EFB zu einem Treffen in Stein bei Nürnberg zusammen. Vertreterinnen vom Mütterdienst bis zu den Pfadinderinnen, den Schwesternschaften oder den Communitäten Selbitz und Casteller Ring waren sich nach den Erfahrungen der NS-Zeit einig, "dass sie politisch bewusster und wacher werden müssten".
In der Nachkriegszeit tastet man sich aber trotzdem nur langsam in Richtung neuem Frauenbild. Die ideale bürgerliche Frau ist nicht erwerbstätig. Bis 1957 durften Ehemänner laut Gesetz in allen Fragen des Ehelebens allein entscheiden. Den Ehefrauen von Pfarrern war es sogar verboten, einen Beruf auszuüben. Frauen hatten auch zunächst kein Stimmrecht für die Wahlen zur - natürlich ausschließlich männlich besetzten - Landessynode. 1958 aber zogen die ersten beiden Synodalinnen ins bayerische Kirchenparlament ein.
Auch in den folgenden Jahrzehnten pendelten die evangelischen Frauen zwischen revolutionärem Kampf und bescheidener Zurückhaltung. Unter den Eindrücken der Weltkirchenkonferenz in Uppsala 1968, bei der die Frauen auch noch eine verschwindende Minderheit waren, stellte Liselotte Nold, damals Vorsitzende des Bayerischen Mütterdienstes, fest: "Wir hätten einmal - so unangenehm es auch sein mag - uns unangenehmer bemerkbar machen müssen."
In den folgenden Jahrzehnten wehren sich Frauen: gegen Lohndiskriminierung, Sexismus, man spricht über den § 218 - wird sich in der Abtreibungsfrage aber nicht einig. EFB setzt sich für Frauen als Pfarrerinnen und als Diakoninnen ein. Auch für die Errichtung des "Arbeitsbereichs Frauen in der Kirche" 1989/1990 kann sie sich als "Hebamme" fühlen, sagt Beck-Flachsenberg.
Doch der Verband muss sich etwas einfallen lassen, damit mehr junge Frauen mitarbeiten. Sie sind heute berufstätig und Mütter - "aber eine Vereinbarkeit mit Ehrenämtern gibt es noch nicht", stellt Schoenauer fest. "Moderne Frauen stoßen an die gläserne Decke."