Wenn Pastor Christian Braune einen Gottesdienst leitet, ist Weiß seine bevorzugte Farbe, den schwarzen Talar lässt er lieber im Schrank. "Richter und Staatsanwälte tragen auch schwarze Talare", sagt der Geistliche. Und an diese Amtsträger haben die Besucher seiner Gottesdienste keine guten Erinnerungen: Braune arbeitet als Gefängnispastor in "Santa Fu", Ende Januar geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Wer sein Nachfolger wird, ist noch nicht bekannt.
Seinen letzten Gottesdienst in der Kirche der Haftanstalt hat Braune am vergangenen Sonntag gehalten und sich von den Gefangenen verabschiedet. Ansonsten war es wie immer am Sonntagmorgen um 9 Uhr: Etwa 50 Inhaftierte sind dabei, wenn Braune im Wechsel mit seinem katholischen Kollegen einen Gottesdienst anbietet. "Es wird sehr viel gesungen, in vielen Sprachen", sagt der Pastor, der die Predigt auf Deutsch hält. Dabei geht es nicht um das Leben hinter Gittern, sondern um ganz alltägliche Themen.
Doch nicht nur sonntags ist Braune für die Gefangenen da. Mitten in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel hat er sein Büro, dessen Türen immer offen stehen. So können die Gefangenen spontan vorbeikommen, wenn sie ein Problem haben. Den großen Teil seiner Seelsorge absolviert Braune aber per Termin. Zu vielen der Inhaftierten hat der evangelische Theologe eine Beziehung aufgebaut, auch wenn einige von ihnen muslimisch sind. Fast 70 Prozent der Gefangenen haben laut Braune einen Migrationshintergrund.
Die Häftlinge kommen regelmäßig bei ihm vorbei, manche sogar jede Woche. Dann geht es oft darum, die Tat zu verarbeiten, und um die Frage, wie man mit der Trennung von Partner und Kind zurechtkommt. Wenn der Gefängnispastor einen Inhaftierten zum ersten Mal trifft, schaut er vorher nicht in dessen Akte. Er wolle dem Menschen unvoreingenommen gegenübersitzen, sagt der Theologe. Doch er gibt zu: Das gelinge nur schwer. Denn in "Santa Fu" sind 280 Männer inhaftiert, die langjährige Haftstrafen verbüßen - Drogenhändler, Geiselnehmer und Mörder. Weitere 140 Männer sind wegen Sexualdelikten in einer sozialtherapeutischen Anstalt. "Inzwischen kann ich eine professionelle Distanz einnehmen", sagt Braune, der zuvor 20 Jahre als Seelsorger im Unfallkrankenhaus Boberg arbeitete.
In der Freiheit zurechtfinden
Am Ende der langen Haftzeit hilft Braune Gefangenen, in ein Leben in Freiheit zurückzufinden. Er begleitet sie bei ihren Freigängen, wo den Männern der Kauf einer Bahnkarte manchmal genauso schwerfällt wie der Besuch bei der Familie. Denn beides haben sie viele Jahre lang nicht gemacht.
In seiner Zeit in "Santa Fu" ist Braune klargeworden: Haftstrafen von mehr als zehn Jahren seien zu lang. Das würden auch kriminalpsychologische Studien zeigen. "Die Gefangenen beginnen, sich als Opfer der Justiz zu sehen. Wut und Hass steigen", sagt Braune, der für anschließende Unterbringung in sozialtherapeutischen Anstalten plädiert.