Schülerinnen und Schüler einer evangelischen Schule in Beirut (Libanon).
© epd-bild/Martina Waiblinger
Schülerinnen und Schüler einer evangelischen Schule in Beirut (Libanon).
Mit Bildung dem Frieden den Boden bereiten
Der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen ist von Stuttgart aus im Nahen Osten aktiv
Im Nahen Osten setzen sich die Schneller-Schulen für das Miteinander statt Nebeneinander von muslimischen und christlichen Kindern ein. Im Mittelpunkt der Pädagogik stehen der Respekt und die Toleranz gegenüber anderen.
26.11.2019
epd
Susanne Müller

"Erziehung zum Frieden" ist ein großes Wort. An der Johann-Ludwig-Schneller-Schule (JLSS) in Khirbet Kanafar im Libanon wird es in kleiner Münze ausgezahlt: Indem beispielsweise ein christlicher Schüler während des Ramadan eben nicht genussvoll Chips knuspert direkt neben seinem fastenden muslimischen Mitschüler. Oder indem ein muslimischer Schüler weiß, was Weihnachten für seinen christlichen Freund bedeutet.  

George Haddad leitet diese besondere Schule in der fruchtbaren libanesischen Bekaa-Ebene. Dort werden christliche und muslimische Kinder gemeinsam unterrichtet, Mädchen und Jungen aus wohlhabenden und armen Familien, libanesische Kinder genauso wie syrische Flüchtlingskinder aus den Zeltlagern der Umgebung. Für junge Erwachsene werden Ausbildungsgänge angeboten, für syrische Flüchtlingsfrauen Nähkurse. 

George Haddad sagt, dass im Mittelpunkt der Pädagogik der Respekt und die Toleranz gegenüber anderen stehe: "Bei uns gibt es keine christlichen und muslimischen, libanesischen und syrischen Kinder. Bei uns gibt es Kinder!" Die Schule leistet - wie auch die Theodor-Schneller-Schule (TSS) in Amman/Jordanien und eine temporäre Zwergschule in Syrien - bewusst Erziehung zum Frieden im Nahen Osten.  

Miteinander und nicht nebeneinander leben

Die Idee ist bald 160 Jahre alt: der Lehrer Johann Ludwig Schneller aus Erpfingen auf der Schwäbischen Alb hat Waisenkindern und Kindern aus armen Familien im Nahen Osten ungeachtet ihrer Religion ein Zuhause und eine Schul- und Berufsausbildung gegeben. Der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen (EVS) unterstützt diese Arbeit seither von Stuttgart aus. Bis in die 1980er Jahre war er direkter Träger der Schulen. 

Haddad lehrt seine Schüler auch: "Man darf religiösen Führungsfiguren folgen, solange sie nicht lehren, anderen Menschen zu schaden!". Das kommt auch vor Ort an: "Niemand würde die Schule gefährden wollen", sagt Uwe Gräbe, Nahost-Verbindungsreferent der Evangelischen Mission in Solidarität (ems) in Stuttgart. Die Vereinsarbeit sei so direkte Unterstützung für Frieden im Nahen Osten.

Im Libanon leben verfassungsrechtlich geregelt Christen und Muslime verschiedener Konfessionen nebeneinander. "Aber eben nicht miteinander - und in der Schule tun sie genau das", erklärt Gräbe. Und diese Gemeinsamkeit präge die Schüler für ihr ganzes Leben. 

"Friedensarbeit im Nahen Osten ist zugleich ein Beitrag für einen friedlicheren Planeten", ist Gräbe überzeugt. Dafür könne jeder etwas tun. Durch Gebete, durch authentische Informationen, die er sich einholt und weitergibt, und durch materielle Hilfe. So wird eine der beiden Schulpsychologinnen in Khirbet Kanafar komplett aus Spenden finanziert. 

Die JLSS hat sich zur konsequenten Integration von Flüchtlingskindern entschlossen und ist stolz darauf. Alle Kinder werden nach demselben Lehrplan unterrichtet, um ihnen bestmögliche Startchancen zu bieten, während der libanesische Staat versucht, Flüchtlingskinder nur nach den viel schwächeren syrischen Bildungsstandards abzuspeisen. Die syrische Assad-Diktatur habe Bildung spürbar vernachlässigt, beobachtet Gräbe.  

Spenden für die Schule ist schwierig

Die Schneller-Schulen "leben aus der Bibel: sie tun einen christlichen Dienst an ihrer Gesellschaft", unterstreicht Gräbe. Das kostet auch Geld. Einen Teil davon erwirtschaften die Schulen selbst, etwas bekommen sie von Ministerien vor Ort, aber als drittes "und unverzichtbar" brauchen sie auch Spenden an Geld und Wissen. So ist derzeit ein Heizungsbauer aus Waiblingen im Libanon und in Jordanien wird dringend ein Verwaltungsexperte gesucht, der das Vor-Ort-Team fit für die selbstständige Weiterarbeit machen kann.

Sachspenden lassen sich wegen immenser Zölle kaum in den Libanon und nach Jordanien bringen. Und ins syrische Projekt sind wegen des Wirtschaftsembargos nicht einmal Geldüberweisungen möglich. "Doch bisher haben wir immer Wege zu helfen gefunden", ist Gräbe zuversichtlich. 

Auch der württembergische Landesbischof Frank Otfried July stärkt den Schulen und den Verein den Rücken: Der EVS mache immer wieder möglich, "dass die Finsternis nicht das letzte Wort hat". So trage der Verein dazu bei, dass dem Frieden im Nahen Osten "der Boden ein Stück weit bereitet wird".