Einst von der DDR-Grenze abgeriegelt und entstellt, inzwischen Unesco-Weltkulturerbe: 1844 wurde die Sacrower Heilandskirche an der Havel vor den Toren Potsdams eingeweiht. Wie ein antikes Schiff, das am Flussufer vor Anker liegt, wird sie mitunter poetisch beschrieben. Doch 1961 fiel das Werk des preußischen Baumeisters Ludwig Persius der Politik zum Opfer. Die deutsch-deutsche Grenze verlief quer über das Kirchengelände. Der Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren war auch für das Denkmal eine Befreiung.
1961 wurde in der evangelischen Kirche der letzte Weihnachtsgottesdienst nach dem Mauerbau gefeiert, erst 1989 nach Öffnung der Grenze der nächste. Die Gemeinde der Sacrower Heilandskirche habe dies mit Unterstützung des Senats und des DDR-Übergangsregierungschefs Hans Modrow (SED) erreicht, schreibt der damalige West-Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) in seinen Erinnerungen über diesen Gottesdienst: "Man hatte Stühle, Kerzen und eine Bauheizung hergeschafft."
Vom Glockenturm zum Wachturm
"Es war ein merkwürdiges Gefühl, als Manfred Stolpe uns vor der Hinterlandmauer empfing und an den Warnschildern des Grenzgebiets vorbei durch den Grenzzaun ins Niemandsland geleitete", schreibt Momper: "Ich empfand Beklemmung, als ich an den unbesetzten Wachtürmen vorbei durch den Todesstreifen ging." Mit dem Bau der Mauer wurde einst der Glockenturm im italienischen Stil zum Teil der DDR-Grenzanlagen, die Betonplatten wurden direkt neben den Turm gesetzt. Wenige Tage nach dem Weihnachtsgottesdienst 1961 wurde der Innenraum samt Altar und Orgel auf dem von den Grenztruppen streng bewachten Gelände zerstört. Eine weitere Nutzung war damit nicht mehr möglich. Knapp drei Jahrzehnte stand die evangelische Kirche im Niemandsland, im Sperrgebiet der Grenzanlagen.
Der angrenzende, einst von Peter Joseph Lenné angelegte Landschaftspark und das nahegelegene Gutshaus wurden vom Zoll der DDR genutzt. Garagen, andere Gebäude und eine Anlage zur Ausbildung von Zollhunden mit nachgebauter Grenzübergangsstelle wurden im Park errichtet.
Die Heilandskirche war zwar noch von West-Berlin aus zu sehen, aber weder von Ost noch West aus zu erreichen. Mitte der 80er Jahre wurde auf Initiative des damaligen West-Berliner Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker (CDU) nach langen Verhandlungen zwischen Kirche und DDR-Regierung die Fassade der Kirche instandgesetzt. Von West-Berlin aus habe man "voller Staunen und Sehnsucht" zur Kirche hinüberblicken können, hat sich Weizsäcker einmal in einem Interview erinnert: "Die Heilandskirche stand da ungenutzt, allmählich verfallend." Dem späteren Bundespräsidenten, der damals auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehörte, gelang es, Mittel aufzutreiben, obwohl die Heilandskirche für viele nicht ganz vorn auf der Prioritätenliste stand. Die EKD habe vor allem für die Gemeindehäuser in der DDR etwas tun wollen, hat Weizsäcker in dem Interview gesagt: "Und ich für die Heilandskirche."
Von der Ruine zum Kulturerbe
Nur wenige Jahre später war die Kirche dann plötzlich wieder zugänglich. Selten habe die Beseitigung der Grenzanlagen der DDR auch optisch eine so befreiende Wirkung gehabt wie an der Sacrower Kirche, haben die Veranstalter der Reihe "Kulturland Brandenburg" die jüngste Geschichte des Bauwerks vor einigen Jahren zusammengefasst. Ein "selten schöner Ort" habe so durch den Mauerfall wiederhergestellt werden können.
Seit 1990 gehört die Heilandskirche mit ihren zierlichen Fassadenstreifen aus blau glasierten Kacheln, ihrem Säulengang am Wasser und dem freistehenden Glockenturm zum Unesco-Weltkulturerbe. Nach dem Ende der DDR konnte auch der Innenraum restauriert werden. Die Kirche ist zum beliebten Ausflugsziel und Hochzeitsort geworden. Seit 1995 werden dort wieder regelmäßig Gottesdienste gefeiert, einmal im Jahr wird zum Abschluss der Wassersportsaison zum Sportschiffer-Gottesdienst unter freiem Himmel eingeladen.
Die Geschichte der Heilandskirche und des Heiligabend-Gottesdienstes habe ihn immer besonders berührt, sagt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge: "Die Mauer stand noch, doch die Todeszone hatte ihren Schrecken verloren." Menschen aus Ost und West hätten in dem entkernten Gotteshaus dicht an dicht beieinandergestanden, betont Dröge: "Im Niemandsland ereignete sich so am 24. Dezember 1989 das Wunder der Weihnacht."