Nach der Rücktrittsankündigung des sächsischen Landesbischofs Carsten Rentzing sind neue Vorwürfe gegen den evangelischen Theologen öffentlich geworden. Die Landeskirche bestätigte am Sonntag, dass Rentzing als Student Texte für die rechte Zeitschrift "Fragmente" verfasst hat, die "verstörend" seien. Von diesen habe die Kirchenleitung am Freitag erfahren, einzelne Mitglieder schon am Donnerstag. Der 52-jährige Rentzing, der als sehr konservativ gilt, hatte am Freitagabend überraschend seinen Rücktritt als Landesbischof angekündigt. Er stand vier Jahre an der Spitze der evangelischen Landeskirche.
"Die der Kirchenleitung vorliegenden Texte sind als elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich einzustufen", erklärte die sächsische Landeskirche am Sonntag in Dresden: "Sie sind aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar." Der damalige Philosophie-, Jura- und Theologiestudent Rentzing habe die Artikel in den Jahren 1989 bis 1992 verfasst. Die Zeitschrift "Fragmente" mit einer Auflage von etwa 100 Exemplaren habe Rentzing damals mit herausgegeben.
Zugleich erklärte die Landeskirche, Rentzing sei während seiner Amtszeit als Pfarrer und Landesbischof zwar mit klaren konservativen Positionen aufgetreten. Über eine rechtsextreme oder nationalistische Denkweise sei in der kirchlichen Öffentlichkeit jedoch nichts bekannt gewesen. Die Kirchenleitung halte die Distanzierung Rentzings von seinen Positionen vor 30 Jahren in Anbetracht seiner Arbeit in der Landeskirche für glaubwürdig.
Rentzing im Urlaub, formal weiter im Amt
Rentzing habe vor der Kirchenleitung eine Erklärung abgegeben, in der er auf die Texte eingegangen sei. "Er stellte es so dar, dass er diese Zeit in seinem Leben und diese Texte verdrängt habe, und äußerte großes Unverständnis und Scham über das, was er damals geschrieben hat", erklärte die Landeskirche. Die Entscheidung zum Rücktritt habe Rentzing persönlich getroffen. Zurzeit befinde er sich im lange geplanten Urlaub und sei formal weiter im Amt. Die Kirchenleitung will am 21. Oktober über weitere Schritte entscheiden.
Zuvor hatte der Leipziger Pfarrer Frank Martin dem Evangelischen Pressedienst (epd) gesagt, Rentzing habe vor längerer Zeit für die Zeitschrift "Fragmente" gearbeitet, die sich an ein sogenanntes "rechtsintellektuelles Publikum" gerichtet habe.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zeigte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe schockiert. "Ich hoffe auf eine schnelle Klärung innerhalb der Landeskirche, zu der Carsten Rentzing sicher selbst beitragen wird", erklärte Bedford-Strohm am späten Samstagabend: "Als evangelische Kirche müssen wir uns eindeutig und laut vernehmbar gegen rechtsextremistische Einstellungen positionieren." Zugleich betonte er: "Konservativ denkende Menschen und ihre Traditionen haben in unserer Kirche selbstverständlich ein Zuhause. Was uns einen muss: Gemeinsam streiten wir gegen Antisemitismus, Rassismus, völkisches Denken und Ausländerfeindlichkeit." Der EKD-Ratsvorsitzende hatte zunächst am Freitagabend erklärt, die Rücktrittsankündigung habe "Betroffenheit und großes Bedauern" bei ihm ausgelöst.
Aufwühlende Stunden
Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, erklärte, er nehme die Entscheidung mit "großem Respekt" zur Kenntnis. Rentzing ist bislang sein Stellvertreter.
Auch der Berliner Bischof Markus Dröge äußerte "großen Respekt" vor Rentzings Entscheidung, sein Amt niederzulegen, "weil ihm offenbar deutlich geworden ist, dass die unterschiedlichen theologischen und politischen Positionen in seiner Landeskirche durch seine Person nicht zu einen" seien.
Die sächsische evangelische Kirche erklärte am Wochenende auf ihrer Internetseite: "Die letzten 24 Stunden waren für unsere Landeskirche aufwühlend." Die Rücktrittsankündigung hat auch im Internet unter dem Hashtag #rentzing eine Debatte ausgelöst.
Rentzing hatte am Freitagabend überraschend mitgeteilt, er wolle sein Amt "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" niederlegen, "um Schaden von meiner Kirche abzuwenden". Positionen, die er vor 30 Jahren vertreten habe, teile er heute nicht mehr.
Dem Schritt Rentzings war anhaltende Kritik an seiner Person vorausgegangen. Der Theologe lehnt unter anderem die Segnung homosexueller Paare ab. Jüngst war bekanntgeworden, dass er Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung im Coburger Convent ist, in der es eine Verpflichtung zu Fechtduellen gibt. In der Kritik steht er auch, weil er 2013 einen Vortrag in der Berliner "Bibliothek des Konservatismus" gehalten hat, die dem Umfeld der Neuen Rechten zugeordnet wird.