Es ist Sonntag, kurz vor 13 Uhr. Freundliche Menschen mit brauner Hautfarbe und schwarzem Haar strömen in Backnang in das Gebäude am Kalten Wasser, in dem wochentags die Evangelische Kirchenpflege arbeitet und die Apis (Evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg) Räumlichkeiten gemietet haben. Die Frauen tragen lange farbenfrohe Kleider, manche von ihnen Kopftuch, die Männer Hemd und Hose. Dazwischen Kinder aller Altersgruppen, ebenfalls sonntäglich herausgeputzt. Man grüßt sich mit "Praise the Lord", bevor man, der kulturellen Prägung entsprechend, nach Geschlechtern getrennt Platz nimmt.
Die tamilische Pfingstgemeinde Shalom Church of God ist eine der Gemeinden anderer Sprache und Herkunft (GaSH), die es im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gibt. Das Lob Gottes nimmt in ihren Gottesdiensten breiten Raum ein – etwa eine dreiviertel Stunde lang wird gesungen und geklatscht, begleitet von Musik in einer Lautstärke, die durchaus gewöhnungsbedürftig ist. Per Beamer werden tamilische Schriftzeichen an die Wand geworfen, vereinzelt finden auch international bekannte Lobpreishits ihren Platz, die von Jugendlichen in deutscher Sprache vorgetragen werden.
Der im Wechsel gesprochene Psalm – sowohl tamilisch als auch deutsch – erinnert wiederum an württembergische landeskirchliche Tradition. Sehr wichtig ist den tamilischen Gläubigen auch das Gebet "für die Nationen" sowie für einzelne Gemeindemitglieder.
Sonntagsschule und tamilische Gerichte
Auch die Kinder segnet Leiter Michael Thomas. Sie kommen nach der Lobpreiszeit nach vorne, sagen einen selbst gewählten Bibelvers auf und werden dann in die Sonntagsschule entlassen. Dort vermittelt Priscilla, eine junge Erzieherin, ihnen Bibellektionen, während Michael Thomas die Predigt für Erwachsene hält. Die meisten Besucher haben ihre Bibel dabei, manche schreiben mit.
Gegen Ende des über zweistündigen Gottesdienstes dringen einladende Gerüche aus der Küche. Jeden Sonntag kochen die Frauen abwechselnd tamilische Gerichte. "Mir gefällt die Gemeinschaft", sagt Neruscha, die mit Mann und vier Kindern seit drei Jahren jeden Sonntag aus Bopfingen bei Aalen kommt und als Kind mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen ist. "Es ist eine gute Möglichkeit, andere Tamilen zu treffen."
Andere Gottesdienstbesucher stammen aus Südindien und sind aus beruflichen Gründen hier. Sathiyabama und Jothi kennen sich aus dem Gebetskreis in einer großen IT-Firma in Bangalore. In Schwäbisch Hall wurden die Tamilinnen 2011 durch eine Nachbarin auf die Shalom Church of God aufmerksam. Mittlerweile kommen auch ihre Ehemänner Sathiamoorthi und Ganesh, bisher kaum religiös interessierte Hindus, gerne in die Gemeinde mit.
"Wir laden immer wieder ein. Es kommen auch Hindus, besonders zu unserer Weihnachtsfeier in Schwäbisch Hall. Dort halte ich meistens um halb sechs noch einen zweiten Gottesdienst ab. An beiden Orten hat die Gemeinde etwa 20 Mitglieder; es kommen jeweils 20 bis 30 Besucher und etwa zehn Kinder in den Gottesdienst", erzählt Thomas, der 1986 vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Backnang floh.
Nominell katholisch, fand er erst in Deutschland zu einem persönlichen Glauben, studierte die Bibel, traf sich mit seiner Frau, seinem Bruder und weiteren Verwandten zu einem Hauskreis. Der wuchs schließlich zu einer Gemeinde der Volksmission, die seit 2009 offiziell als Verein registriert ist und zum Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden gehört. Der ehrenamtliche Leiter ohne theologische Ausbildung hat eine einjährige Leiterschulung bei der Volksmission absolviert und arbeitet beruflich im Bereich Digitaldruck.
"Wie kann man die Räumlichkeiten besser nutzen als für Gottesdienste!", findet Martin Rudolf, Gemeinschaftspastor der Apis. Denn seit Jahren ist hier die Volksmission zu Gast: um 10 Uhr die deutsche Gemeinde, um 13 Uhr die tamilische. Und sonntagabends, 18 Uhr, findet der eigene Gottesdienst, die Gemeinschaftsstunde der Apis, statt.
Auch wenn Schätzungen zufolge 80 Prozent der GaSH weniger als 50 Mitglieder haben, ist die Bedeutung dieser Gemeinden nicht zu unterschätzen. Nach landeskirchlichen Angaben kann in Großstädten wie Stuttgart von mindestens 30 GaSH ausgegangen werden. Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist - anders als in den einheimischen landeskirchlichen Gemeinden - zumeist identisch mit der Mitgliederzahl oder übersteigt diese sogar.
So besuchen beispielsweise in Mannheim an einem gewöhnlichen Sonntag zwischen 1.200 und 1.500 Menschen Gottesdienste einer GaSH, die der evangelischen Tradition nahestehen. Schätzungen gehen außerdem davon aus, dass mindestens 20 Prozent der Mitglieder einer GaSH auch Mitglieder der Landeskirche sind.