Die ersten Besucher kamen schon um fünf Uhr morgens. In Sonderzügen reisten sie aus ganz Deutschland an und marschierten zum Bückeberg bei Hagenohsen, südlich von Hameln am rechten Ufer der Weser, um den Auftritt Adolf Hitlers zu erwarten. Die "Reichserntedankfeste" gehörten von 1933 bis 1937 zu den größten Massenveranstaltungen der NS-Zeit. Zuletzt kam über eine Million Menschen - mehr als zu den Reichsparteitagen in Nürnberg.
Die enorme Rolle, die das Fest für die Nazis spielte, um die Bevölkerung für sich einzunehmen, ist heute bei vielen Menschen vergessen. Deshalb soll auf dem Bückeberg ab dem nächsten Jahr ein "Dokumentations- und Lernort" entstehen. Der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln und der Landkreis Hameln-Pyrmont haben für den Aufbau eine gemeinnützige GmbH gegründet. Honorarkräfte sollen Schulklassen über das Gelände führen.
Neben dem Landkreis fördern der Bund, die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, die Stiftung Niedersachsen, die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung und die Klosterkammer Hannover das Projekt. Der konkrete Baubeginn steht nach Auskunft der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten noch nicht fest.
Bürgerbefragung gefordert
"Wir sind der Meinung, dass es neben den Opferorten wie etwa KZ-Gedenkstätten auch der Täterorte bedarf", sagt der Historiker Jens Binner, Leiter der Abteilung Kommunikation und Veranstaltungen der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten - wobei er den Begriff "Täterorte" in Anführungszeichen setzt, denn die Besucher des Fests seien ja nicht mit Tätern gleichzusetzen. Aber solche Orte seien "notwendige Ergänzungen", die einen Blick in die NS-Gesellschaft ermöglichten.
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In der Gemeinde Emmerthal, zu der der Bückeberg gehört, lehnen viele diesen geplanten Dokumentations- und Lernort ab. Eine Bürgerinitiative sammelte in der 9.700-Einwohner-Gemeinde mehr als 2.000 Unterschriften dagegen. CDU, Freie Wähler und AfD forderten eine Bürgerbefragung. Die Skeptiker befürchteten hohe Kosten, Belastungen für die Anwohner durch hohen Besucherverkehr oder dass der Ort Rechtsextremisten anlocken würde. Nach einigen Änderungen am Projekt - unter anderem soll es Verbesserungen für Anwohner bei den Anfahrtswegen geben - verfolgen mittlerweile CDU und Freie Wähler eine Bürgerbefragung nicht mehr weiter.
"Widerstand gibt es regelmäßig bei Themen, bei denen es um die Mitte der Gesellschaft der NS-Zeit geht und nicht um eine klar abgegrenzte Gruppe, etwa um die SS", sagt Jens Binner. Seine Erfahrung: "Oft haben die Menschen vor Ort Angst, an den Pranger gestellt zu werden." Das sei aber gar nicht die Intention - schon deshalb nicht, weil die Besucher der "Reichserntedankfeste" ja nicht alle aus der Nachbarschaft kamen, sondern aus ganz Deutschland.
Die Sorge, dass ein Gedenkort Rechtsextremisten anziehen würde, teilt Bernhard Gelderblom vom Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln nicht. Der Historiker und pensionierte Gymnasiallehrer hat die Geschichte des Bückebergs und der "Reichserntedankfeste" lange erforscht. "Der Bückeberg war bisher kein Ziel regelmäßiger Wallfahrten von rechts." Zudem sei der Ort viel zu groß, gibt der Historiker zu bedenken: Eine Gruppe Neonazis "würde sich der Lächerlichkeit preisgeben, weil die wenigen Leute in dem riesigen Gelände verschwinden". Es gehe bei dem geplanten Gedenkort nicht um Schuld, sondern um Verantwortung, sagt Gelderblom: "Aber diese Verantwortung für diesen Ort wird vielfach verweigert."