© epd-bild/MKG
Spieltisch für die Arp-Schnitger-Orgel in Hamburg St. Jacobi (Detail, 1950, Leihgabe Hauptkirche St. Jacobi, Hamburg, Emerich von Koczma).
Das Genie unter den Orgelbauern
Hamburg begeht das 300. Todesjahr des barocken Orgelbaumeisters Arp Schnitger
Arp Schnitger gilt als begnadeter Schöpfer einzigartiger Orgeln. Hamburg feiert sein 300. Todesjahr mit einem Orgeljahr. Der Klang seiner Instrumente fasziniert Musiker bis heute, seine Konstruktionen sind noch immer Vorbilder.

Kenner vergleichen die Klasse seiner Instrumente gerne mit der Qualität der Stradivari-Geigen. Was der barocke Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648-1719) geschaffen hat, fasziniert Musiker und Publikum bis heute. Er starb vor 300 Jahren - wann genau ist unbekannt. Am 28. Juli 1719 wurde er in Neuenfelde, heute ein Stadtteil von Hamburg, begraben.

Etwa 170 Orgeln soll Schnitger neu gebaut oder wesentlich umgestaltet haben, etwa 30 sind noch erhalten. "Arp Schnitger war schon zu Lebzeiten eine Legende", sagt der Bremer Orgelprofessor Harald Vogel.

Musik als Vorstufe zum himmlischen Paradies

Die Musik galt zu Schnitgers Zeit als Vorstufe zum himmlischen Paradies, die Orgel selbst als Instrument zur Ehre Gottes. Deshalb wurde vielerorts auch nicht an Baumaterial und Ausstattung gespart, wenn es darum ging, die Kirche mit einer Orgel auszustatten. Das wirkt sich bis in die Gegenwart aus: Feines Zinn, gutes Leder und abgelagertes Holz ließen die Mechanik oft Jahrhunderte überdauern.

In der Stader Cosmae-Kirche lieferte Schnitger sein Gesellenstück ab. Und in Lüdingworth bei Cuxhaven steht eine besonders prachtvolle Orgel aus seiner Werkstatt: Die reichen Marschenhöfe ließen sich hier in ihrem "Bauerndom" ein Instrument mit riesigen Pedaltürmen und 2.200 Pfeifen aus edelstem Material bauen. Die Tasten des Spieltisches sind teils mit Buchsbaum belegt, teils aus Ebenholz.

"Die Bauern an der Küste von Amsterdam im Südwesten bis Hamburg und dann weiter in den Raum nördlich von Ribe in Dänemark haben die allererste geschlossene Orgellandschaft der Welt geschaffen", schwärmt der Freiburger Musikwissenschaftlicher Konrad Küster. Dabei ging es nicht nur um Frömmigkeit, denn die Orgel war auch ein Statussymbol. Mit einem Instrument von Arp Schnitger sicherten sich die Bauern am zuverlässigsten die neidvolle Anerkennung aus den Nachbarorten. Denn Schnitger, Tischlersohn aus der Wesermarsch, zählte europaweit zu den besten Orgelbauern.

Eine Orgel mit 4.000 Pfeifen

Das reiche Alte Land zwischen Stade und Hamburg sticht noch hervor, weil hier besonders viele Orgeln von Schnitger stehen. 1678 übernahm er nach dem Tod seines Lehrmeisters Berendt Hus dessen Werkstatt in Stade. Bereits vier Jahre später zog er nach Hamburg, um in der Hauptkirche St. Jacobi sein größtes Werk mit knapp 4.000 Pfeifen zu bauen. Bis heute zählt sie in Klang und Optik zu den schönsten Orgeln der Stadt.



Von Hamburg aus exportierte er später seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, dann nach Russland, England, Spanien und Portugal. In Neuenfelde, wo er nach seiner Heirat den "Orgelbauerhof" erwarb, wurde der Meister schließlich begraben.

Schnitger-Orgeln waren wegweisend

Nach Schnitgers Tod machten sich viele seiner Schüler selbstständig und konstruierten Orgeln im Stil ihres Meisters. Bis heute werden Instrumente von Schnitger weltweit bei großen Orgelneubauten als Vorbild genutzt. Und noch immer sind Musiker fasziniert vom Klang der Schnitger-Orgeln. Sie loben das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen sowie die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.

Unter dem Motto "Hamburg zieht alle Register" feiert die Hansestadt mit zahlreichen Veranstaltungen, Konzerten und einer Ausstellung das Orgeljahr. In der Neuenfelder St. Pankratius-Kirche wird das Jubiläum am Sonntag mit einem Festkonzert gefeiert. Für Montag lädt der Hamburger Senat zum Empfang ins Rathaus.



Rund 300 Orgelexperten werden vom 28. Juli bis 3. August in Hamburg zur Internationalen Tagung der Gesellschaft der Orgelfreunde erwartet. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt noch bis zum 3. November die Ausstellung "Manufaktur des Klangs" zu 2.000 Jahre Orgelbau.

Gefeiert wird aber nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein Mensch, der oft uneigennützig gehandelt hat. Schnitger schrieb über sich selbst: "Ich habe nie viel verlangt, sondern den Kirchen, wenn sie keine ausreichenden Mittel besaßen, zur Ehre Gottes die Orgel für den halben Preis gebaut."