Eine Kapelle aus weißen Sandsäcken weist den Weg zum Friedhof. Hunderte von Neugierigen streifen täglich entlang kunstvoll angelegter Gräber. Die Wege junger und älterer Menschen kreuzen sich hier. Mal sind es Kunststudierende aus Stuttgart und Tübingen, mal Angehörige von Verstorbenen. "Das Gräberfeld auf der Bundesgartenschau (BUGA) ist ein Publikumsmagnet", sagt die evangelische Pfarrerin und Projektleiterin für "Kirche auf der BUGA Heilbronn 2019", Esther Sauer.
"Capella" heißt das Auftragswerk von Daniel Bräg aus Holz und gefüllten Sandsäcken, das gleich rechts am BUGA-Eingang "Bildungscampus" zum Gang auf den Friedhof einlädt. Es ist ein idyllisches Fleckchen nahe dem Neckar, das sich die BUGA-Verantwortlichen für das Gräberfeld ausgedacht haben.
Großes Thema Grabpflege
Zwischen hohen alten Bäumen wurden 67 Ausstellungsgräber angelegt. Steinmetze und Friedhofsgärtner aus dem ganzen Bundesgebiet präsentieren hier ihr kreatives und handwerkliches Können. Abhängig von der Jahreszeit wechseln sie während der Schau drei Mal die Bepflanzung der Gräber und werden dafür von einer fachkundigen Jury bewertet und ausgezeichnet.
"Grabpflege ist ein Riesenthema", sagt Esther Sauer. Viele Menschen wollten aber nicht, dass ihre Kinder sie mal auf dem Friedhof "pflegen" müssen, sagt die Theologin. Aus Trauergesprächen weiß sie, dass die Hinterbliebenen oftmals gar nicht wüssten, was die Verstorbenen eigentlich nach dem Tod wollten. Manche wichen dann auf eine Friedwald- oder anonyme Bestattung aus. "Doch dann haben wir keinen Ort mehr zum Trauern", sagt die Theologin.
Deshalb beteiligen sich die Kirchen auch bei den Gräberführungen. Gräberfelder und dazugehörige Führungen durch das kunstvoll angelegte Gelände sind fast schon Tradition bei Bundesgartenschauen. "Wir waren 2013 in Hamburg und 2011 in Koblenz und haben uns dort informiert", erzählt Sauer. Auch damals kamen die Besucher bei den dortigen Bundesgartenschauen in Scharen auf den "lebendigen Friedhof".
Inmitten des Heilbronner Gräberfeldes steht derweil eine Gruppe von knapp 20 Besuchern, die sich an einer Gräberführung beteiligen. Jeden Mittwoch um 15 Uhr bieten evangelische und katholische Theologen sowie Pastoralreferenten eine solche Führung an. "Das Spannende für mich ist, dass ich mit den Leuten hier auf dem Weg bin", sagt die evangelische Theologin Bärbel Herrmann-Kazmaier, die eine solche Führung leitet.
Die Menschen, die das Gräberfeld besuchten, hätten Freude an der hochkarätigen Kunst und dem gelungenen Zusammenspiel von Steinmetz- und Gärtnerarbeiten. "Wer über Friedhöfe geht, ist auf der Suche nach Hinweisen darauf, worin der Sinn unseres Lebens besteht, worauf es ankommt, und sucht nach Sinnsprüchen oder Symbolen, die den Hinterbliebenen Zuversicht vermitteln", sagt Herrmann-Kazmaier.
"Mein Ziel ist es, die Menschen auf das Existenzielle einzustellen", sagt Herrmann-Kazmaier. Sie will bei den Gästen deshalb "etwas anstoßen und hinterfragen, was wir hier sehen", sagt die Theologin. Und deutet erklärend auf das nächste Schaugrab: "Auf diesem Grab sehen Sie eine Mischung aus lila und hellblauen Blumen, eine Mischung aus Trauer und dem Leben zugewandt sein", sagt Herrmann-Kazmaier.
Gut eine halbe Stunde dauert eine Führung durch den lebendigen Friedhof. Die Besucher sind längst miteinander im Gespräch, tauschen Erfahrungen und Erinnerungen aus oder geben sich einfach Tipps weiter. "Jedes Grab hier spricht für sich, jede Gestaltung gibt mir neue Ideen oder Impulse", resümiert am Ende eine Besucherin.